Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.Der Fuhrmann mußte den Wagen stehen lassen, und gieng voll Zorn und Aerger heim. 'Ach,' sprach er zu seiner Frau, 'was hab ich Unglück gehabt! der Wein ist ausgelaufen, und die Pferde sind alle drei todt.' 'Ach, Mann,' antwortete sie, 'was für ein böser Vogel ist ins Haus gekommen! er hat alle Vögel auf der Welt zusammen gebracht, und die sind droben über unsern Waizen hergefallen, und fressen ihn auf.' Da stieg er hinauf, und tausend und tausend Vögel saßen auf dem Boden, und hatten den Waizen aufgefressen, und der Sperling saß mitten darunter. Da rief der Fuhrmann 'ach, ich armer Mann!' 'Noch nicht arm genug,' antwortete der Sperling, 'Fuhrmann, es kostet dir noch dein Leben,' und flog hinaus. Da hatte der Fuhrmann all sein Gut verloren, gieng hinab in seine Stube, und setzte sich hinter den Ofen, und war ganz bös und giftig. Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster, und rief 'Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.' Da griff der Fuhrmann die Hacke, und warf sie nach dem Sperling, aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei, und traf den Vogel nicht. Der Sperling hüpfte nun herein, setzte sich auf den Ofen, und rief 'Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.' Dieser, ganz toll und blind vor Wuth, schlägt den Ofen entzwei, und so fort, wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeräth, Spieglein, Stühle, Bänke, Tisch, und zuletzt die Wände seines Hauses, und kann ihn nicht treffen. Endlich aber erwischte er ihn doch. Da sprach seine Frau 'soll ich ihn todt schlagen?' 'Nein,' rief er, 'das wäre zu gelind, Der Fuhrmann mußte den Wagen stehen lassen, und gieng voll Zorn und Aerger heim. ‘Ach,’ sprach er zu seiner Frau, ‘was hab ich Ungluͤck gehabt! der Wein ist ausgelaufen, und die Pferde sind alle drei todt.’ ‘Ach, Mann,’ antwortete sie, ‘was fuͤr ein boͤser Vogel ist ins Haus gekommen! er hat alle Voͤgel auf der Welt zusammen gebracht, und die sind droben uͤber unsern Waizen hergefallen, und fressen ihn auf.’ Da stieg er hinauf, und tausend und tausend Voͤgel saßen auf dem Boden, und hatten den Waizen aufgefressen, und der Sperling saß mitten darunter. Da rief der Fuhrmann ‘ach, ich armer Mann!’ ‘Noch nicht arm genug,’ antwortete der Sperling, ‘Fuhrmann, es kostet dir noch dein Leben,’ und flog hinaus. Da hatte der Fuhrmann all sein Gut verloren, gieng hinab in seine Stube, und setzte sich hinter den Ofen, und war ganz boͤs und giftig. Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Da griff der Fuhrmann die Hacke, und warf sie nach dem Sperling, aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei, und traf den Vogel nicht. Der Sperling huͤpfte nun herein, setzte sich auf den Ofen, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Dieser, ganz toll und blind vor Wuth, schlaͤgt den Ofen entzwei, und so fort, wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤnke, Tisch, und zuletzt die Waͤnde seines Hauses, und kann ihn nicht treffen. Endlich aber erwischte er ihn doch. Da sprach seine Frau ‘soll ich ihn todt schlagen?’ ‘Nein,’ rief er, ‘das waͤre zu gelind, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0388" n="357"/> <p> Der Fuhrmann mußte den Wagen stehen lassen, und gieng voll Zorn und Aerger heim. ‘Ach,’ sprach er zu seiner Frau, ‘was hab ich Ungluͤck gehabt! der Wein ist ausgelaufen, und die Pferde sind alle drei todt.’ ‘Ach, Mann,’ antwortete sie, ‘was fuͤr ein boͤser Vogel ist ins Haus gekommen! er hat alle Voͤgel auf der Welt zusammen gebracht, und die sind droben uͤber unsern Waizen hergefallen, und fressen ihn auf.’ Da stieg er hinauf, und tausend und tausend Voͤgel saßen auf dem Boden, und hatten den Waizen aufgefressen, und der Sperling saß mitten darunter. Da rief der Fuhrmann ‘ach, ich armer Mann!’ ‘Noch nicht arm genug,’ antwortete der Sperling, ‘Fuhrmann, es kostet dir noch dein Leben,’ und flog hinaus.</p><lb/> <p>Da hatte der Fuhrmann all sein Gut verloren, gieng hinab in seine Stube, und setzte sich hinter den Ofen, und war ganz boͤs und giftig. Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Da griff der Fuhrmann die Hacke, und warf sie nach dem Sperling, aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei, und traf den Vogel nicht. Der Sperling huͤpfte nun herein, setzte sich auf den Ofen, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Dieser, ganz toll und blind vor Wuth, schlaͤgt den Ofen entzwei, und so fort, wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤnke, Tisch, und zuletzt die Waͤnde seines Hauses, und kann ihn nicht treffen. Endlich aber erwischte er ihn doch. Da sprach seine Frau ‘soll ich ihn todt schlagen?’ ‘Nein,’ rief er, ‘das waͤre zu gelind, </p> </div> </body> </text> </TEI> [357/0388]
Der Fuhrmann mußte den Wagen stehen lassen, und gieng voll Zorn und Aerger heim. ‘Ach,’ sprach er zu seiner Frau, ‘was hab ich Ungluͤck gehabt! der Wein ist ausgelaufen, und die Pferde sind alle drei todt.’ ‘Ach, Mann,’ antwortete sie, ‘was fuͤr ein boͤser Vogel ist ins Haus gekommen! er hat alle Voͤgel auf der Welt zusammen gebracht, und die sind droben uͤber unsern Waizen hergefallen, und fressen ihn auf.’ Da stieg er hinauf, und tausend und tausend Voͤgel saßen auf dem Boden, und hatten den Waizen aufgefressen, und der Sperling saß mitten darunter. Da rief der Fuhrmann ‘ach, ich armer Mann!’ ‘Noch nicht arm genug,’ antwortete der Sperling, ‘Fuhrmann, es kostet dir noch dein Leben,’ und flog hinaus.
Da hatte der Fuhrmann all sein Gut verloren, gieng hinab in seine Stube, und setzte sich hinter den Ofen, und war ganz boͤs und giftig. Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Da griff der Fuhrmann die Hacke, und warf sie nach dem Sperling, aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei, und traf den Vogel nicht. Der Sperling huͤpfte nun herein, setzte sich auf den Ofen, und rief ‘Fuhrmann, es kostet dir dein Leben.’ Dieser, ganz toll und blind vor Wuth, schlaͤgt den Ofen entzwei, und so fort, wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤnke, Tisch, und zuletzt die Waͤnde seines Hauses, und kann ihn nicht treffen. Endlich aber erwischte er ihn doch. Da sprach seine Frau ‘soll ich ihn todt schlagen?’ ‘Nein,’ rief er, ‘das waͤre zu gelind,
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