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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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daß sie sollte gerichtet werden. Der König aber hatte sie so lieb daß er es nicht glauben wollte, und befahl den Räthen bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr darüber zu sprechen.

Jm dritten Jahre gebar die Königin ein schönes Töchterlein, da erschien ihr auch wieder Nachts die Jungfrau Maria, und sprach 'folge mir'. Und sie nahm sie bei der Hand, und führte sie in den Himmel, und zeigte ihr da ihre beiden ältesten Kinder, die lachten sie an, und spielten mit der Weltkugel. Und als sich die Königin darüber freuete, sprach die Jungfrau Maria 'willst du nun eingestehen daß du die verbotene Thür geöffnet hast, so will ich dir deine beiden Söhnlein zurück geben'. Die Königin antwortete zum drittenmal 'nein, ich habe die verbotene Thür nicht geöffnet'. Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde hinabsinken, und nahm ihr auch das dritte Kind.

Am andern Morgen, als es ruchbar ward, riefen alle Leute laut 'die Königin ist eine Menschenfresserin, sie muß verurtheilt werden!' und der König konnte seine Räthe nicht mehr zurückweisen. Es wurde ein Gericht über sie gehalten, und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte, ward sie verurtheilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das Holz wurde zusammengetragen, und als sie nun an den Pfahl festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen anfieng, da ward ihr Herz von Reue bewegt, und sie dachte 'könnt ich vor meinem Tode gestehen daß ich die Thüre geöffnet habe' und rief 'ja, Maria, ich habe es gethan!' Und wie der Gedanke in ihr Herz kam, da fieng der Himmel an zu regnen, und löschte

daß sie sollte gerichtet werden. Der Koͤnig aber hatte sie so lieb daß er es nicht glauben wollte, und befahl den Raͤthen bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr daruͤber zu sprechen.

Jm dritten Jahre gebar die Koͤnigin ein schoͤnes Toͤchterlein, da erschien ihr auch wieder Nachts die Jungfrau Maria, und sprach ‘folge mir’. Und sie nahm sie bei der Hand, und fuͤhrte sie in den Himmel, und zeigte ihr da ihre beiden aͤltesten Kinder, die lachten sie an, und spielten mit der Weltkugel. Und als sich die Koͤnigin daruͤber freuete, sprach die Jungfrau Maria ‘willst du nun eingestehen daß du die verbotene Thuͤr geoͤffnet hast, so will ich dir deine beiden Soͤhnlein zuruͤck geben’. Die Koͤnigin antwortete zum drittenmal ‘nein, ich habe die verbotene Thuͤr nicht geoͤffnet’. Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde hinabsinken, und nahm ihr auch das dritte Kind.

Am andern Morgen, als es ruchbar ward, riefen alle Leute laut ‘die Koͤnigin ist eine Menschenfresserin, sie muß verurtheilt werden!’ und der Koͤnig konnte seine Raͤthe nicht mehr zuruͤckweisen. Es wurde ein Gericht uͤber sie gehalten, und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte, ward sie verurtheilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das Holz wurde zusammengetragen, und als sie nun an den Pfahl festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen anfieng, da ward ihr Herz von Reue bewegt, und sie dachte ‘koͤnnt ich vor meinem Tode gestehen daß ich die Thuͤre geoͤffnet habe’ und rief ‘ja, Maria, ich habe es gethan!’ Und wie der Gedanke in ihr Herz kam, da fieng der Himmel an zu regnen, und loͤschte

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[16/0047] daß sie sollte gerichtet werden. Der Koͤnig aber hatte sie so lieb daß er es nicht glauben wollte, und befahl den Raͤthen bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr daruͤber zu sprechen. Jm dritten Jahre gebar die Koͤnigin ein schoͤnes Toͤchterlein, da erschien ihr auch wieder Nachts die Jungfrau Maria, und sprach ‘folge mir’. Und sie nahm sie bei der Hand, und fuͤhrte sie in den Himmel, und zeigte ihr da ihre beiden aͤltesten Kinder, die lachten sie an, und spielten mit der Weltkugel. Und als sich die Koͤnigin daruͤber freuete, sprach die Jungfrau Maria ‘willst du nun eingestehen daß du die verbotene Thuͤr geoͤffnet hast, so will ich dir deine beiden Soͤhnlein zuruͤck geben’. Die Koͤnigin antwortete zum drittenmal ‘nein, ich habe die verbotene Thuͤr nicht geoͤffnet’. Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde hinabsinken, und nahm ihr auch das dritte Kind. Am andern Morgen, als es ruchbar ward, riefen alle Leute laut ‘die Koͤnigin ist eine Menschenfresserin, sie muß verurtheilt werden!’ und der Koͤnig konnte seine Raͤthe nicht mehr zuruͤckweisen. Es wurde ein Gericht uͤber sie gehalten, und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte, ward sie verurtheilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Das Holz wurde zusammengetragen, und als sie nun an den Pfahl festgebunden war und das Feuer rings umher zu brennen anfieng, da ward ihr Herz von Reue bewegt, und sie dachte ‘koͤnnt ich vor meinem Tode gestehen daß ich die Thuͤre geoͤffnet habe’ und rief ‘ja, Maria, ich habe es gethan!’ Und wie der Gedanke in ihr Herz kam, da fieng der Himmel an zu regnen, und loͤschte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/47>, abgerufen am 21.11.2024.