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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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'Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter.'

Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf.

Anfangs erschrak Rapunzel gewaltig als ein Mann zu ihr herein kam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten, doch der Königssohn fieng an ganz freundlich mit ihr zu reden, und erzählte ihr daß von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden, daß es ihm keine Ruhe gelassen, und er sie selbst habe sehen müssen. Da verlor Rapunzel ihre Angst, und als er sie fragte ob sie ihn zum Manne nehmen wolle, und sie sah daß er jung und schön war, so dachte sie 'der wird mich lieber haben als die alte Frau Gothel,' und sagte ja, und reichte ihm ihre Hand. Sie verabredeten daß er alle Abend zu ihr kommen sollte, aber die Zauberin, die nur bei Tage kam, merkte nichts davon, bis einmal Rapunzel anfieng und zu ihr sagte 'sag sie mir doch, Frau Gothel, wie kommt es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen, als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.' 'Ach du gottloses Kind,' rief die Zauberin, 'was muß ich von dir hören, so hast du mich doch betrogen!' Und in ihrem Zorne packte sie die schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten, und ritsch, ritsch, waren sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig daß sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend leben mußte.

Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel verstoßen hatte,

‘Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter.’

Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf.

Anfangs erschrak Rapunzel gewaltig als ein Mann zu ihr herein kam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten, doch der Königssohn fieng an ganz freundlich mit ihr zu reden, und erzählte ihr daß von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden, daß es ihm keine Ruhe gelassen, und er sie selbst habe sehen müssen. Da verlor Rapunzel ihre Angst, und als er sie fragte ob sie ihn zum Manne nehmen wolle, und sie sah daß er jung und schön war, so dachte sie ‘der wird mich lieber haben als die alte Frau Gothel,’ und sagte ja, und reichte ihm ihre Hand. Sie verabredeten daß er alle Abend zu ihr kommen sollte, aber die Zauberin, die nur bei Tage kam, merkte nichts davon, bis einmal Rapunzel anfieng und zu ihr sagte ‘sag sie mir doch, Frau Gothel, wie kommt es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen, als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.’ ‘Ach du gottloses Kind,’ rief die Zauberin, ‘was muß ich von dir hören, so hast du mich doch betrogen!’ Und in ihrem Zorne packte sie die schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten, und ritsch, ritsch, waren sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig daß sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend leben mußte.

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[77/0115] ‘Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter.’ Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf. Anfangs erschrak Rapunzel gewaltig als ein Mann zu ihr herein kam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten, doch der Königssohn fieng an ganz freundlich mit ihr zu reden, und erzählte ihr daß von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden, daß es ihm keine Ruhe gelassen, und er sie selbst habe sehen müssen. Da verlor Rapunzel ihre Angst, und als er sie fragte ob sie ihn zum Manne nehmen wolle, und sie sah daß er jung und schön war, so dachte sie ‘der wird mich lieber haben als die alte Frau Gothel,’ und sagte ja, und reichte ihm ihre Hand. Sie verabredeten daß er alle Abend zu ihr kommen sollte, aber die Zauberin, die nur bei Tage kam, merkte nichts davon, bis einmal Rapunzel anfieng und zu ihr sagte ‘sag sie mir doch, Frau Gothel, wie kommt es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen, als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.’ ‘Ach du gottloses Kind,’ rief die Zauberin, ‘was muß ich von dir hören, so hast du mich doch betrogen!’ Und in ihrem Zorne packte sie die schönen Haare der Rapunzel, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten, und ritsch, ritsch, waren sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig daß sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend leben mußte. Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel verstoßen hatte,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/115>, abgerufen am 24.11.2024.