Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es, und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter was er ihnen mitbringen sollte? 'Schöne Kleider' sagte die eine, 'Perlen und Edelsteine' die zweite. 'Aber du, Aschenputtel,' sprach er, 'was willst du haben?' 'Vater, das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab.' Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis, und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab, und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, gieng zu seiner Mutter Grab, und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß es von seinen Thränen begossen ward. Es wuchs aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel gieng alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein Vöglein auf den Baum, und das Vöglein warf ihm herab was es sich nur wünschte.

Es begab sich aber, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn

ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es, und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter was er ihnen mitbringen sollte? ‘Schöne Kleider’ sagte die eine, ‘Perlen und Edelsteine’ die zweite. ‘Aber du, Aschenputtel,’ sprach er, ‘was willst du haben?’ ‘Vater, das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab.’ Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis, und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab, und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, gieng zu seiner Mutter Grab, und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß es von seinen Thränen begossen ward. Es wuchs aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel gieng alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein Vöglein auf den Baum, und das Vöglein warf ihm herab was es sich nur wünschte.

Es begab sich aber, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="139"/>
ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es, und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es <hi rendition="#g">Aschenputtel</hi>.</p><lb/>
        <p>Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter was er ihnen mitbringen sollte? &#x2018;Schöne Kleider&#x2019; sagte die eine, &#x2018;Perlen und Edelsteine&#x2019; die zweite. &#x2018;Aber du, Aschenputtel,&#x2019; sprach er, &#x2018;was willst du haben?&#x2019; &#x2018;Vater, das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab.&#x2019; Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis, und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab, und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, gieng zu seiner Mutter Grab, und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß es von seinen Thränen begossen ward. Es wuchs aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel gieng alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein Vöglein auf den Baum, und das Vöglein warf ihm herab was es sich nur wünschte.</p><lb/>
        <p>Es begab sich aber, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0177] ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es, und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Heerd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel. Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter was er ihnen mitbringen sollte? ‘Schöne Kleider’ sagte die eine, ‘Perlen und Edelsteine’ die zweite. ‘Aber du, Aschenputtel,’ sprach er, ‘was willst du haben?’ ‘Vater, das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab.’ Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis, und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab, und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, gieng zu seiner Mutter Grab, und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß es von seinen Thränen begossen ward. Es wuchs aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel gieng alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein Vöglein auf den Baum, und das Vöglein warf ihm herab was es sich nur wünschte. Es begab sich aber, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/177
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/177>, abgerufen am 21.11.2024.