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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, gieng Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab, und sprach zu dem Bäumchen

'Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,
wirf Gold und Silber über mich.'

Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es zu der Hochzeit kam, wußten sie alle nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten, der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er 'das ist meine Tänzerin.'

Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind daß er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen, da war der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn nahm ihn weg, und er war klein und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen gieng er damit zu dem Mann, und sagte keine andere sollte seine Gemahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßte. Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füße. Die Älteste gieng mit dem Schuh in die Kammer, und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer, und sprach 'hau die Zehe ab, wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.' Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den

Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, gieng Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab, und sprach zu dem Bäumchen

‘Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,
wirf Gold und Silber über mich.’

Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es zu der Hochzeit kam, wußten sie alle nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten, der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er ‘das ist meine Tänzerin.’

Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind daß er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen, da war der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn nahm ihn weg, und er war klein und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen gieng er damit zu dem Mann, und sagte keine andere sollte seine Gemahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßte. Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füße. Die Älteste gieng mit dem Schuh in die Kammer, und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer, und sprach ‘hau die Zehe ab, wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.’ Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den

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[144/0182] Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, gieng Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab, und sprach zu dem Bäumchen ‘Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.’ Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es zu der Hochzeit kam, wußten sie alle nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten, der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er ‘das ist meine Tänzerin.’ Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind daß er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen, da war der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn nahm ihn weg, und er war klein und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen gieng er damit zu dem Mann, und sagte keine andere sollte seine Gemahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßte. Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füße. Die Älteste gieng mit dem Schuh in die Kammer, und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer, und sprach ‘hau die Zehe ab, wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.’ Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/182>, abgerufen am 21.11.2024.