Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.' Er dankte dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter, und gieng ohne Furcht weiter. Nicht lange so erblickte er das Thier, das auf ihn los rennte, er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wuth rennte es so gewaltig hinein, daß ihm das Herz entzwei geschnitten ward. Da nahm er das Ungethüm auf die Schulter, gieng heimwärts, und wollte es dem Könige bringen. Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten, und hatte gedacht das Schwein laufe ihm doch nicht fort, erst wolle er sich einen rechten Muth trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam, so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu 'komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus, und stärke dich mit einem Becher Wein.' Der jüngste, der nichts arges dahinter vermuthete, gieng hinein, und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spieß gegeben, womit er das Schwein getödtet habe. Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da giengen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, daß er todt hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein, und brachte es dem König mit dem Vorgeben er habe es getödtet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.’ Er dankte dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter, und gieng ohne Furcht weiter. Nicht lange so erblickte er das Thier, das auf ihn los rennte, er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wuth rennte es so gewaltig hinein, daß ihm das Herz entzwei geschnitten ward. Da nahm er das Ungethüm auf die Schulter, gieng heimwärts, und wollte es dem Könige bringen. Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten, und hatte gedacht das Schwein laufe ihm doch nicht fort, erst wolle er sich einen rechten Muth trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam, so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu ‘komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus, und stärke dich mit einem Becher Wein.’ Der jüngste, der nichts arges dahinter vermuthete, gieng hinein, und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spieß gegeben, womit er das Schwein getödtet habe. Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da giengen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, daß er todt hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein, und brachte es dem König mit dem Vorgeben er habe es getödtet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0212" n="174"/> auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.’ Er dankte dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter, und gieng ohne Furcht weiter. Nicht lange so erblickte er das Thier, das auf ihn los rennte, er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wuth rennte es so gewaltig hinein, daß ihm das Herz entzwei geschnitten ward. Da nahm er das Ungethüm auf die Schulter, gieng heimwärts, und wollte es dem Könige bringen.</p><lb/> <p>Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten, und hatte gedacht das Schwein laufe ihm doch nicht fort, erst wolle er sich einen rechten Muth trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam, so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu ‘komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus, und stärke dich mit einem Becher Wein.’ Der jüngste, der nichts arges dahinter vermuthete, gieng hinein, und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spieß gegeben, womit er das Schwein getödtet habe. Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da giengen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, daß er todt hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein, und brachte es dem König mit dem Vorgeben er habe es getödtet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin </p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0212]
auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.’ Er dankte dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter, und gieng ohne Furcht weiter. Nicht lange so erblickte er das Thier, das auf ihn los rennte, er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wuth rennte es so gewaltig hinein, daß ihm das Herz entzwei geschnitten ward. Da nahm er das Ungethüm auf die Schulter, gieng heimwärts, und wollte es dem Könige bringen.
Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten, und hatte gedacht das Schwein laufe ihm doch nicht fort, erst wolle er sich einen rechten Muth trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam, so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu ‘komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus, und stärke dich mit einem Becher Wein.’ Der jüngste, der nichts arges dahinter vermuthete, gieng hinein, und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spieß gegeben, womit er das Schwein getödtet habe. Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da giengen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, ließ der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, daß er todt hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein, und brachte es dem König mit dem Vorgeben er habe es getödtet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |