Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.Freier habe ich meine Tochter geholfen.' Die Schachtel aber gieng nicht unter, sondern schwamm wie ein Schiffchen, und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein. Sie schwamm bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt, wo eine Mühle war, an dessen Wehr sie hängen blieb. Ein Mahlbursche, der glücklicherweise dastand und sie bemerkte, zog sie mit einem Haken heran, und dachte große Schätze zu finden, als er sie aber aufmachte, lag ein schöner Knabe darin, der ganz frisch und munter war. Er brachte ihn zu den Müllersleuten, und weil diese keine Kinder hatten, freuten sie sich, und sprachen 'Gott hat es uns beschert.' Sie pflegten den Fündling wohl, und er wuchs in allen Tugenden heran. Es trug sich zu, daß der König einmal bei einem Gewitter in die Mühle trat, und die Müllersleute fragte ob der große Junge ihr Sohn wäre. 'Nein,' antworteten sie, 'es ist ein Fündling, er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans Wehr geschwommen, und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen.' Da merkte der König daß es niemand anders, als das Glückskind war, das er ins Wasser geworfen hatte, und sprach 'ihr guten Leute, könnte der Junge nicht einen Brief an die Frau Königin bringen, ich will ihm zwei Goldstücke zum Lohn geben?' 'Wie der Herr König gebietet,' antworteten die Leute, und hießen den Jungen sich bereit halten. Da schrieb der König einen Brief an die Königin, worin stand 'sobald der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er getödtet und begraben werden, und das alles soll geschehen sein ehe ich zurückkomme.' Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den Freier habe ich meine Tochter geholfen.’ Die Schachtel aber gieng nicht unter, sondern schwamm wie ein Schiffchen, und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein. Sie schwamm bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt, wo eine Mühle war, an dessen Wehr sie hängen blieb. Ein Mahlbursche, der glücklicherweise dastand und sie bemerkte, zog sie mit einem Haken heran, und dachte große Schätze zu finden, als er sie aber aufmachte, lag ein schöner Knabe darin, der ganz frisch und munter war. Er brachte ihn zu den Müllersleuten, und weil diese keine Kinder hatten, freuten sie sich, und sprachen ‘Gott hat es uns beschert.’ Sie pflegten den Fündling wohl, und er wuchs in allen Tugenden heran. Es trug sich zu, daß der König einmal bei einem Gewitter in die Mühle trat, und die Müllersleute fragte ob der große Junge ihr Sohn wäre. ‘Nein,’ antworteten sie, ‘es ist ein Fündling, er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans Wehr geschwommen, und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen.’ Da merkte der König daß es niemand anders, als das Glückskind war, das er ins Wasser geworfen hatte, und sprach ‘ihr guten Leute, könnte der Junge nicht einen Brief an die Frau Königin bringen, ich will ihm zwei Goldstücke zum Lohn geben?’ ‘Wie der Herr König gebietet,’ antworteten die Leute, und hießen den Jungen sich bereit halten. Da schrieb der König einen Brief an die Königin, worin stand ‘sobald der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er getödtet und begraben werden, und das alles soll geschehen sein ehe ich zurückkomme.’ Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="177"/> Freier habe ich meine Tochter geholfen.’ Die Schachtel aber gieng nicht unter, sondern schwamm wie ein Schiffchen, und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein. Sie schwamm bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt, wo eine Mühle war, an dessen Wehr sie hängen blieb. Ein Mahlbursche, der glücklicherweise dastand und sie bemerkte, zog sie mit einem Haken heran, und dachte große Schätze zu finden, als er sie aber aufmachte, lag ein schöner Knabe darin, der ganz frisch und munter war. Er brachte ihn zu den Müllersleuten, und weil diese keine Kinder hatten, freuten sie sich, und sprachen ‘Gott hat es uns beschert.’ Sie pflegten den Fündling wohl, und er wuchs in allen Tugenden heran.</p><lb/> <p>Es trug sich zu, daß der König einmal bei einem Gewitter in die Mühle trat, und die Müllersleute fragte ob der große Junge ihr Sohn wäre. ‘Nein,’ antworteten sie, ‘es ist ein Fündling, er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans Wehr geschwommen, und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen.’ Da merkte der König daß es niemand anders, als das Glückskind war, das er ins Wasser geworfen hatte, und sprach ‘ihr guten Leute, könnte der Junge nicht einen Brief an die Frau Königin bringen, ich will ihm zwei Goldstücke zum Lohn geben?’ ‘Wie der Herr König gebietet,’ antworteten die Leute, und hießen den Jungen sich bereit halten. Da schrieb der König einen Brief an die Königin, worin stand ‘sobald der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er getödtet und begraben werden, und das alles soll geschehen sein ehe ich zurückkomme.’</p><lb/> <p>Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0215]
Freier habe ich meine Tochter geholfen.’ Die Schachtel aber gieng nicht unter, sondern schwamm wie ein Schiffchen, und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein. Sie schwamm bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt, wo eine Mühle war, an dessen Wehr sie hängen blieb. Ein Mahlbursche, der glücklicherweise dastand und sie bemerkte, zog sie mit einem Haken heran, und dachte große Schätze zu finden, als er sie aber aufmachte, lag ein schöner Knabe darin, der ganz frisch und munter war. Er brachte ihn zu den Müllersleuten, und weil diese keine Kinder hatten, freuten sie sich, und sprachen ‘Gott hat es uns beschert.’ Sie pflegten den Fündling wohl, und er wuchs in allen Tugenden heran.
Es trug sich zu, daß der König einmal bei einem Gewitter in die Mühle trat, und die Müllersleute fragte ob der große Junge ihr Sohn wäre. ‘Nein,’ antworteten sie, ‘es ist ein Fündling, er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans Wehr geschwommen, und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen.’ Da merkte der König daß es niemand anders, als das Glückskind war, das er ins Wasser geworfen hatte, und sprach ‘ihr guten Leute, könnte der Junge nicht einen Brief an die Frau Königin bringen, ich will ihm zwei Goldstücke zum Lohn geben?’ ‘Wie der Herr König gebietet,’ antworteten die Leute, und hießen den Jungen sich bereit halten. Da schrieb der König einen Brief an die Königin, worin stand ‘sobald der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er getödtet und begraben werden, und das alles soll geschehen sein ehe ich zurückkomme.’
Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |