Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht recht warum, und es steckte sich beide Taschen voll Ebsen und Linsen. Jn dem Wald fand es Asche gestreut, die ihm den Weg zeigen sollte; es gieng darauf weiter, warf aber bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde. Nun gieng es fast den ganzen Tag bis es zu einem Hause kam, das mitten im dunkelsten Walde stand. Das Haus gefiel ihm nicht, es sah so finster und unheimlich aus. Es trat hinein, aber es war niemand darin und alles still. Plötzlich rief eine Stimme

'kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus.'

Das Mädchen sah sich um, und sah daß die Stimme von einem Vogel kam, der da in einem Bauer an der Wand hieng, und der nochmals rief

'kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus.'

Da gieng dir schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere, und gieng durch das ganze Haus, aber es war alles leer und keine Menschenseele zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau, die wackelte mit dem Kopfe. 'Könnt ihr mir nicht sagen,' sprach das Mädchen, 'ob mein Bräutigam hier wohnt?' 'Ach, du armes Kind,' antwortete die Alte, 'wo bist du hingerathen! du bist in einer Mördergrube. Du meinst du wärst eine Braut, die bald Hochzeit macht, aber deine Hochzeit sollst du mit dem Tode halten. Dein Bräutigam will dir das Leben nehmen. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen, wenn sie dich in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menchenfresser.

nicht recht warum, und es steckte sich beide Taschen voll Ebsen und Linsen. Jn dem Wald fand es Asche gestreut, die ihm den Weg zeigen sollte; es gieng darauf weiter, warf aber bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde. Nun gieng es fast den ganzen Tag bis es zu einem Hause kam, das mitten im dunkelsten Walde stand. Das Haus gefiel ihm nicht, es sah so finster und unheimlich aus. Es trat hinein, aber es war niemand darin und alles still. Plötzlich rief eine Stimme

‘kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus.’

Das Mädchen sah sich um, und sah daß die Stimme von einem Vogel kam, der da in einem Bauer an der Wand hieng, und der nochmals rief

‘kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus.’

Da gieng dir schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere, und gieng durch das ganze Haus, aber es war alles leer und keine Menschenseele zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau, die wackelte mit dem Kopfe. ‘Könnt ihr mir nicht sagen,’ sprach das Mädchen, ‘ob mein Bräutigam hier wohnt?’ ‘Ach, du armes Kind,’ antwortete die Alte, ‘wo bist du hingerathen! du bist in einer Mördergrube. Du meinst du wärst eine Braut, die bald Hochzeit macht, aber deine Hochzeit sollst du mit dem Tode halten. Dein Bräutigam will dir das Leben nehmen. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen, wenn sie dich in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menchenfresser.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="244"/>
nicht recht warum, und es steckte sich beide Taschen voll Ebsen und Linsen. Jn dem Wald fand es Asche gestreut, die ihm den Weg zeigen sollte; es gieng darauf weiter, warf aber bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde. Nun gieng es fast den ganzen Tag bis es zu einem Hause kam, das mitten im dunkelsten Walde stand. Das Haus gefiel ihm nicht, es sah so finster und unheimlich aus. Es trat hinein, aber es war niemand darin und alles still. Plötzlich rief eine Stimme</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;kehr um, kehr um, du junge Braut,</l><lb/>
          <l>du bist in einem Mörderhaus.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Das Mädchen sah sich um, und sah daß die Stimme von einem Vogel kam, der da in einem Bauer an der Wand hieng, und der nochmals rief</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;kehr um, kehr um, du junge Braut,</l><lb/>
          <l>du bist in einem Mörderhaus.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Da gieng dir schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere, und gieng durch das ganze Haus, aber es war alles leer und keine Menschenseele zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau, die wackelte mit dem Kopfe. &#x2018;Könnt ihr mir nicht sagen,&#x2019; sprach das Mädchen, &#x2018;ob mein Bräutigam hier wohnt?&#x2019; &#x2018;Ach, du armes Kind,&#x2019; antwortete die Alte, &#x2018;wo bist du hingerathen! du bist in einer Mördergrube. Du meinst du wärst eine Braut, die bald Hochzeit macht, aber deine Hochzeit sollst du mit dem Tode halten. Dein Bräutigam will dir das Leben nehmen. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen, wenn sie dich in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menchenfresser.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0282] nicht recht warum, und es steckte sich beide Taschen voll Ebsen und Linsen. Jn dem Wald fand es Asche gestreut, die ihm den Weg zeigen sollte; es gieng darauf weiter, warf aber bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde. Nun gieng es fast den ganzen Tag bis es zu einem Hause kam, das mitten im dunkelsten Walde stand. Das Haus gefiel ihm nicht, es sah so finster und unheimlich aus. Es trat hinein, aber es war niemand darin und alles still. Plötzlich rief eine Stimme ‘kehr um, kehr um, du junge Braut, du bist in einem Mörderhaus.’ Das Mädchen sah sich um, und sah daß die Stimme von einem Vogel kam, der da in einem Bauer an der Wand hieng, und der nochmals rief ‘kehr um, kehr um, du junge Braut, du bist in einem Mörderhaus.’ Da gieng dir schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere, und gieng durch das ganze Haus, aber es war alles leer und keine Menschenseele zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau, die wackelte mit dem Kopfe. ‘Könnt ihr mir nicht sagen,’ sprach das Mädchen, ‘ob mein Bräutigam hier wohnt?’ ‘Ach, du armes Kind,’ antwortete die Alte, ‘wo bist du hingerathen! du bist in einer Mördergrube. Du meinst du wärst eine Braut, die bald Hochzeit macht, aber deine Hochzeit sollst du mit dem Tode halten. Dein Bräutigam will dir das Leben nehmen. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen, wenn sie dich in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menchenfresser.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/282
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/282>, abgerufen am 22.11.2024.