Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.rief der Junge, 'oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.' Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal 'was willst zu hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.' Der Küster dachte 'das wird so schlimm nicht gemeint sein,' gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich, ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte 'weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.' 'Nein,' antwortete der Junge, 'aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.' Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte. Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. 'Euer Junge,' rief sie, 'hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann rief der Junge, ‘oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal ‘was willst zu hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.’ Der Küster dachte ‘das wird so schlimm nicht gemeint sein,’ gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich, ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Junge, ‘aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte. Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ‘Euer Junge,’ rief sie, ‘hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="19"/> rief der Junge, ‘oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal ‘was willst zu hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.’ Der Küster dachte ‘das wird so schlimm nicht gemeint sein,’ gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich, ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Junge, ‘aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte.</p><lb/> <p>Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ‘Euer Junge,’ rief sie, ‘hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0057]
rief der Junge, ‘oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal ‘was willst zu hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.’ Der Küster dachte ‘das wird so schlimm nicht gemeint sein,’ gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich, ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Junge, ‘aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte.
Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ‘Euer Junge,’ rief sie, ‘hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |