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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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hergegangen, sie haben in der Noth Bäume ausgerissen und sich gewehrt, doch das hilft alles nichts wenn einer kommt wie ich, der siebene auf einen Streich schlägt.' 'Seid ihr denn nicht verwundet?' fragten die Reiter. 'Das hat gute Wege,' antwortete der Schneider, 'kein Haar haben sie mir gekrümmt.' Die Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen und ritten in den Wald hinein: da fanden sie die Riesen in ihrem Blute schwimmend, und rings herum lagen die ausgerissenen Bäume.

Das Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung, den aber reute sein Versprechen und er sann aufs neue wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte. 'Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst,' sprach er zu ihm, 'mußt du noch eine Heldenthat vollbringen. Jn dem Walde läuft ein Einhorn, das großen Schaden anrichtet, das mußt du erst einfangen.' 'Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen: siebene auf einen Streich, das ist meine Sache.' Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher, und sprang geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. 'Sachte, sachte,' sprach er, 'so geschwind geht das nicht,' blieb stehen und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und so war es gefangen. 'Jetzt hab ich das Vöglein,'

hergegangen, sie haben in der Noth Bäume ausgerissen und sich gewehrt, doch das hilft alles nichts wenn einer kommt wie ich, der siebene auf einen Streich schlägt.’ ‘Seid ihr denn nicht verwundet?’ fragten die Reiter. ‘Das hat gute Wege,’ antwortete der Schneider, ‘kein Haar haben sie mir gekrümmt.’ Die Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen und ritten in den Wald hinein: da fanden sie die Riesen in ihrem Blute schwimmend, und rings herum lagen die ausgerissenen Bäume.

Das Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung, den aber reute sein Versprechen und er sann aufs neue wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte. ‘Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst,’ sprach er zu ihm, ‘mußt du noch eine Heldenthat vollbringen. Jn dem Walde läuft ein Einhorn, das großen Schaden anrichtet, das mußt du erst einfangen.’ ‘Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen: siebene auf einen Streich, das ist meine Sache.’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher, und sprang geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. ‘Sachte, sachte,’ sprach er, ‘so geschwind geht das nicht,’ blieb stehen und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und so war es gefangen. ‘Jetzt hab ich das Vöglein,’

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[132/0214] hergegangen, sie haben in der Noth Bäume ausgerissen und sich gewehrt, doch das hilft alles nichts wenn einer kommt wie ich, der siebene auf einen Streich schlägt.’ ‘Seid ihr denn nicht verwundet?’ fragten die Reiter. ‘Das hat gute Wege,’ antwortete der Schneider, ‘kein Haar haben sie mir gekrümmt.’ Die Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen und ritten in den Wald hinein: da fanden sie die Riesen in ihrem Blute schwimmend, und rings herum lagen die ausgerissenen Bäume. Das Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung, den aber reute sein Versprechen und er sann aufs neue wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte. ‘Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhältst,’ sprach er zu ihm, ‘mußt du noch eine Heldenthat vollbringen. Jn dem Walde läuft ein Einhorn, das großen Schaden anrichtet, das mußt du erst einfangen.’ ‘Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen: siebene auf einen Streich, das ist meine Sache.’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher, und sprang geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. ‘Sachte, sachte,’ sprach er, ‘so geschwind geht das nicht,’ blieb stehen und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum. Das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und so war es gefangen. ‘Jetzt hab ich das Vöglein,’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/214>, abgerufen am 24.11.2024.