'Wer kann da lustig sein, wenns einem an den Kragen geht,' antwortete die Katze, 'weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer: wo soll ich hin?' 'Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.' Die Katze hielt das für gut und gieng mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. 'Du schreist einem durch Mark und Bein,' sprach der Esel, 'was hast du vor?' 'Da hab ich gut Wetter prophezeit,' sprach der Hahn, 'weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will: aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen, und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.' 'Ei was, du Rothkopf,' sagte der Esel, 'zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art haben.' Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle viere zusammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten.
‘Wer kann da lustig sein, wenns einem an den Kragen geht,’ antwortete die Katze, ‘weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer: wo soll ich hin?’ ‘Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.’ Die Katze hielt das für gut und gieng mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. ‘Du schreist einem durch Mark und Bein,’ sprach der Esel, ‘was hast du vor?’ ‘Da hab ich gut Wetter prophezeit,’ sprach der Hahn, ‘weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will: aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen, und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.’ ‘Ei was, du Rothkopf,’ sagte der Esel, ‘zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art haben.’ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle viere zusammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0250"n="168"/>‘Wer kann da lustig sein, wenns einem an den Kragen geht,’ antwortete die Katze, ‘weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer: wo soll ich hin?’‘Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.’ Die Katze hielt das für gut und gieng mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. ‘Du schreist einem durch Mark und Bein,’ sprach der Esel, ‘was hast du vor?’‘Da hab ich gut Wetter prophezeit,’ sprach der Hahn, ‘weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will: aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen, und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.’‘Ei was, du Rothkopf,’ sagte der Esel, ‘zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art haben.’ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle viere zusammen fort.</p><lb/><p>Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten.
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‘Wer kann da lustig sein, wenns einem an den Kragen geht,’ antwortete die Katze, ‘weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer: wo soll ich hin?’ ‘Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.’ Die Katze hielt das für gut und gieng mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. ‘Du schreist einem durch Mark und Bein,’ sprach der Esel, ‘was hast du vor?’ ‘Da hab ich gut Wetter prophezeit,’ sprach der Hahn, ‘weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will: aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen, und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.’ ‘Ei was, du Rothkopf,’ sagte der Esel, ‘zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art haben.’ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle viere zusammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen Abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten.
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/250>, abgerufen am 16.02.2025.
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