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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme 'die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und todt hinfallen.' Und ohne ein Wort weiter zu sprechen kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn mildern konnte, so sagte sie 'es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.'

Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten verbrannt werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau mit einer Spindel und spann emsig ihren Flachs. 'Guten Tag, du altes Mütterchen,' sprach die Königstochter, 'was machst du da?' 'Jch spinne,' sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. 'Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?' sprach das Mädchen, nahm die Spindel und

jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme ‘die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und todt hinfallen.’ Und ohne ein Wort weiter zu sprechen kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn mildern konnte, so sagte sie ‘es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.’

Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten verbrannt werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau mit einer Spindel und spann emsig ihren Flachs. ‘Guten Tag, du altes Mütterchen,’ sprach die Königstochter, ‘was machst du da?’ ‘Jch spinne,’ sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. ‘Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?’ sprach das Mädchen, nahm die Spindel und

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[292/0374] jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme ‘die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und todt hinfallen.’ Und ohne ein Wort weiter zu sprechen kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn mildern konnte, so sagte sie ‘es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.’ Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten verbrannt werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau mit einer Spindel und spann emsig ihren Flachs. ‘Guten Tag, du altes Mütterchen,’ sprach die Königstochter, ‘was machst du da?’ ‘Jch spinne,’ sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. ‘Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?’ sprach das Mädchen, nahm die Spindel und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/374>, abgerufen am 31.10.2024.