Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

als aber seine Frau nicht wieder kam, und sein Durst immer stärker ward, sprach er 'ich muß nur selber in den Keller gehn und sehen wo die Else bleibt.' Als er aber in den Keller kam, und alle da bei einander saßen und weinten, und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte, und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden, wenn es gerade zur Zeit, wo sie herab fiele, darunter säße, Bier zu zapfen: da rief er 'was für eine kluge Else!' setzte sich und weinte auch mit. Der Bräutigam blieb lange oben allein, da niemand wiederkommen wollte, dachte er 'sie werden unten auf dich warten, du mußt auch hingehen und sehen was sie vorhaben.' Als er hinab kam, saßen da fünfe und schrien und jammerten ganz erbärmlich, einer immer besser als der andere. 'Was für ein Unglück ist denn geschehen?' fragte er. 'Ach, lieber Hans,' sprach die Else, 'wann wir einander heirathen und haben ein Kind, und es ist groß, und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen, da kann ihm ja die Kreuzhacke, die da oben ist stecken geblieben, wenn sie herabfallen sollte, den Kopf zerschlagen, daß es liegen bleibt; sollen wir da nicht weinen?' 'Nun,' sprach Hans, 'mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig; weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben,' packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr.

Als sie den Hans eine Weile hatte, sprach er 'Frau, ich will ausgehen arbeiten und uns Geld verdienen, geh du ins Feld, und schneid das Korn, daß wir Brot haben.' 'Ja, mein lieber Hans, das will ich thun.' Nachdem der Hans fort war, kochte sie sich einen guten Brei und nahm ihn mit ins Feld. Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst 'was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen.' Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder 'was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst

als aber seine Frau nicht wieder kam, und sein Durst immer stärker ward, sprach er ‘ich muß nur selber in den Keller gehn und sehen wo die Else bleibt.’ Als er aber in den Keller kam, und alle da bei einander saßen und weinten, und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte, und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden, wenn es gerade zur Zeit, wo sie herab fiele, darunter säße, Bier zu zapfen: da rief er ‘was für eine kluge Else!’ setzte sich und weinte auch mit. Der Bräutigam blieb lange oben allein, da niemand wiederkommen wollte, dachte er ‘sie werden unten auf dich warten, du mußt auch hingehen und sehen was sie vorhaben.’ Als er hinab kam, saßen da fünfe und schrien und jammerten ganz erbärmlich, einer immer besser als der andere. ‘Was für ein Unglück ist denn geschehen?’ fragte er. ‘Ach, lieber Hans,’ sprach die Else, ‘wann wir einander heirathen und haben ein Kind, und es ist groß, und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen, da kann ihm ja die Kreuzhacke, die da oben ist stecken geblieben, wenn sie herabfallen sollte, den Kopf zerschlagen, daß es liegen bleibt; sollen wir da nicht weinen?’ ‘Nun,’ sprach Hans, ‘mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig; weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben,’ packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr.

Als sie den Hans eine Weile hatte, sprach er ‘Frau, ich will ausgehen arbeiten und uns Geld verdienen, geh du ins Feld, und schneid das Korn, daß wir Brot haben.’ ‘Ja, mein lieber Hans, das will ich thun.’ Nachdem der Hans fort war, kochte sie sich einen guten Brei und nahm ihn mit ins Feld. Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst ‘was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen.’ Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder ‘was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="177"/>
als aber seine Frau nicht wieder kam, und sein Durst immer stärker ward, sprach er &#x2018;ich muß nur selber in den Keller gehn und sehen wo die Else bleibt.&#x2019; Als er aber in den Keller kam, und alle da bei einander saßen und weinten, und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte, und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden, wenn es gerade zur Zeit, wo sie herab fiele, darunter säße, Bier zu zapfen: da rief er &#x2018;was für eine kluge Else!&#x2019; setzte sich und weinte auch mit. Der Bräutigam blieb lange oben allein, da niemand wiederkommen wollte, dachte er &#x2018;sie werden unten auf dich warten, du mußt auch hingehen und sehen was sie vorhaben.&#x2019; Als er hinab kam, saßen da fünfe und schrien und jammerten ganz erbärmlich, einer immer besser als der andere. &#x2018;Was für ein Unglück ist denn geschehen?&#x2019; fragte er. &#x2018;Ach, lieber Hans,&#x2019; sprach die Else, &#x2018;wann wir einander heirathen und haben ein Kind, und es ist groß, und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen, da kann ihm ja die Kreuzhacke, die da oben ist stecken geblieben, wenn sie herabfallen sollte, den Kopf zerschlagen, daß es liegen bleibt; sollen wir da nicht weinen?&#x2019; &#x2018;Nun,&#x2019; sprach Hans, &#x2018;mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig; weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben,&#x2019; packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr.</p><lb/>
        <p>Als sie den Hans eine Weile hatte, sprach er &#x2018;Frau, ich will ausgehen arbeiten und uns Geld verdienen, geh du ins Feld, und schneid das Korn, daß wir Brot haben.&#x2019; &#x2018;Ja, mein lieber Hans, das will ich thun.&#x2019; Nachdem der Hans fort war, kochte sie sich einen guten Brei und nahm ihn mit ins Feld. Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst &#x2018;was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen.&#x2019; Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder &#x2018;was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0210] als aber seine Frau nicht wieder kam, und sein Durst immer stärker ward, sprach er ‘ich muß nur selber in den Keller gehn und sehen wo die Else bleibt.’ Als er aber in den Keller kam, und alle da bei einander saßen und weinten, und er die Ursache hörte, daß das Kind der Else schuld wäre, das sie vielleicht einmal zur Welt brächte, und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden, wenn es gerade zur Zeit, wo sie herab fiele, darunter säße, Bier zu zapfen: da rief er ‘was für eine kluge Else!’ setzte sich und weinte auch mit. Der Bräutigam blieb lange oben allein, da niemand wiederkommen wollte, dachte er ‘sie werden unten auf dich warten, du mußt auch hingehen und sehen was sie vorhaben.’ Als er hinab kam, saßen da fünfe und schrien und jammerten ganz erbärmlich, einer immer besser als der andere. ‘Was für ein Unglück ist denn geschehen?’ fragte er. ‘Ach, lieber Hans,’ sprach die Else, ‘wann wir einander heirathen und haben ein Kind, und es ist groß, und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen, da kann ihm ja die Kreuzhacke, die da oben ist stecken geblieben, wenn sie herabfallen sollte, den Kopf zerschlagen, daß es liegen bleibt; sollen wir da nicht weinen?’ ‘Nun,’ sprach Hans, ‘mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig; weil du so eine kluge Else bist, so will ich dich haben,’ packte sie bei der Hand und nahm sie mit hinauf und hielt Hochzeit mit ihr. Als sie den Hans eine Weile hatte, sprach er ‘Frau, ich will ausgehen arbeiten und uns Geld verdienen, geh du ins Feld, und schneid das Korn, daß wir Brot haben.’ ‘Ja, mein lieber Hans, das will ich thun.’ Nachdem der Hans fort war, kochte sie sich einen guten Brei und nahm ihn mit ins Feld. Als sie vor den Acker kam, sprach sie zu sich selbst ‘was thu ich? schneid ich ehr, oder eß ich ehr? hei, ich will erst essen.’ Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus, und als sie dick satt war, sprach sie wieder ‘was thu ich? schneid ich ehr, oder schlaf ich ehr? hei, ich will erst

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/210
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/210>, abgerufen am 19.05.2024.