Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.Tage gegangen war, so kam er in einen Wald, der noch größer war als die vorigen und gar kein Ende nehmen wollte; und da er nichts zu essen und zu trinken fand, so war er nahe daran zu verschmachten. Da stieg er auf einen hohen Baum, ob er da oben Waldes Ende sehen möchte, aber so weit sein Auge reichte sah er nichts als die Gipfel der Bäume. Da begab er sich von dem Baume wieder herunter zu steigen, aber der Hunger quälte ihn, und er dachte 'wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte.' Als er herab kam, sah er mit Erstaunen unter dem Baum einen Tisch, der mit Speisen reichlich besetzt war, die ihm entgegen dampften. 'Diesmal,' sprach er, 'ist mein Wunsch zu rechter Zeit erfüllt worden,' und ohne zu fragen wer das Essen gebracht und wer es gekocht hätte, nahte er sich dem Tisch und aß mit Lust bis er seinen Hunger gestillt hatte. Als er fertig war, dachte er 'es wäre doch Schade wenn das feine Tischtüchlein hier in dem Walde verderben sollte,' legte es säuberlich zusammen und steckte es ein. Darauf gieng er weiter, und Abends, als der Hunger sich wieder regte, wollte er sein Tüchlein auf die Probe stellen, breitete es aus und sagte 'so wünsche ich daß du abermals mit guten Speisen besetzt wärest,' und kaum war der Wunsch über seine Lippen gekommen, so standen so viel Schüsseln mit dem schönsten Essen darauf, als nur Platz hatten. 'Jetzt merke ich,' sagte er, 'in welcher Küche für mich gekocht wird; du sollst mir lieber sein als der Berg von Silber und Gold,' denn er sah wohl daß es ein Tüchleindeckdich war. Das Tüchlein war ihm aber doch nicht genug, um sich daheim zur Ruhe zu setzen, sondern er wollte lieber noch in der Welt herum wandern und weiter sein Glück versuchen. Eines Abends traf er in einem einsamen Walde einen schwarz bestaubten Köhler, der brannte da Kohlen, und hatte Kartoffeln am Feuer stehen, damit wollte er seine Mahlzeit halten. 'Guten Abend, du Schwarzamsel,' sagte er, 'wie geht dirs in Tage gegangen war, so kam er in einen Wald, der noch größer war als die vorigen und gar kein Ende nehmen wollte; und da er nichts zu essen und zu trinken fand, so war er nahe daran zu verschmachten. Da stieg er auf einen hohen Baum, ob er da oben Waldes Ende sehen möchte, aber so weit sein Auge reichte sah er nichts als die Gipfel der Bäume. Da begab er sich von dem Baume wieder herunter zu steigen, aber der Hunger quälte ihn, und er dachte ‘wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte.’ Als er herab kam, sah er mit Erstaunen unter dem Baum einen Tisch, der mit Speisen reichlich besetzt war, die ihm entgegen dampften. ‘Diesmal,’ sprach er, ‘ist mein Wunsch zu rechter Zeit erfüllt worden,’ und ohne zu fragen wer das Essen gebracht und wer es gekocht hätte, nahte er sich dem Tisch und aß mit Lust bis er seinen Hunger gestillt hatte. Als er fertig war, dachte er ‘es wäre doch Schade wenn das feine Tischtüchlein hier in dem Walde verderben sollte,’ legte es säuberlich zusammen und steckte es ein. Darauf gieng er weiter, und Abends, als der Hunger sich wieder regte, wollte er sein Tüchlein auf die Probe stellen, breitete es aus und sagte ‘so wünsche ich daß du abermals mit guten Speisen besetzt wärest,’ und kaum war der Wunsch über seine Lippen gekommen, so standen so viel Schüsseln mit dem schönsten Essen darauf, als nur Platz hatten. ‘Jetzt merke ich,’ sagte er, ‘in welcher Küche für mich gekocht wird; du sollst mir lieber sein als der Berg von Silber und Gold,’ denn er sah wohl daß es ein Tüchleindeckdich war. Das Tüchlein war ihm aber doch nicht genug, um sich daheim zur Ruhe zu setzen, sondern er wollte lieber noch in der Welt herum wandern und weiter sein Glück versuchen. Eines Abends traf er in einem einsamen Walde einen schwarz bestaubten Köhler, der brannte da Kohlen, und hatte Kartoffeln am Feuer stehen, damit wollte er seine Mahlzeit halten. ‘Guten Abend, du Schwarzamsel,’ sagte er, ‘wie geht dirs in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="275"/> Tage gegangen war, so kam er in einen Wald, der noch größer war als die vorigen und gar kein Ende nehmen wollte; und da er nichts zu essen und zu trinken fand, so war er nahe daran zu verschmachten. Da stieg er auf einen hohen Baum, ob er da oben Waldes Ende sehen möchte, aber so weit sein Auge reichte sah er nichts als die Gipfel der Bäume. Da begab er sich von dem Baume wieder herunter zu steigen, aber der Hunger quälte ihn, und er dachte ‘wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte.’ Als er herab kam, sah er mit Erstaunen unter dem Baum einen Tisch, der mit Speisen reichlich besetzt war, die ihm entgegen dampften. ‘Diesmal,’ sprach er, ‘ist mein Wunsch zu rechter Zeit erfüllt worden,’ und ohne zu fragen wer das Essen gebracht und wer es gekocht hätte, nahte er sich dem Tisch und aß mit Lust bis er seinen Hunger gestillt hatte. Als er fertig war, dachte er ‘es wäre doch Schade wenn das feine Tischtüchlein hier in dem Walde verderben sollte,’ legte es säuberlich zusammen und steckte es ein. Darauf gieng er weiter, und Abends, als der Hunger sich wieder regte, wollte er sein Tüchlein auf die Probe stellen, breitete es aus und sagte ‘so wünsche ich daß du abermals mit guten Speisen besetzt wärest,’ und kaum war der Wunsch über seine Lippen gekommen, so standen so viel Schüsseln mit dem schönsten Essen darauf, als nur Platz hatten. ‘Jetzt merke ich,’ sagte er, ‘in welcher Küche für mich gekocht wird; du sollst mir lieber sein als der Berg von Silber und Gold,’ denn er sah wohl daß es ein Tüchleindeckdich war. Das Tüchlein war ihm aber doch nicht genug, um sich daheim zur Ruhe zu setzen, sondern er wollte lieber noch in der Welt herum wandern und weiter sein Glück versuchen. Eines Abends traf er in einem einsamen Walde einen schwarz bestaubten Köhler, der brannte da Kohlen, und hatte Kartoffeln am Feuer stehen, damit wollte er seine Mahlzeit halten. ‘Guten Abend, du Schwarzamsel,’ sagte er, ‘wie geht dirs in </p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0308]
Tage gegangen war, so kam er in einen Wald, der noch größer war als die vorigen und gar kein Ende nehmen wollte; und da er nichts zu essen und zu trinken fand, so war er nahe daran zu verschmachten. Da stieg er auf einen hohen Baum, ob er da oben Waldes Ende sehen möchte, aber so weit sein Auge reichte sah er nichts als die Gipfel der Bäume. Da begab er sich von dem Baume wieder herunter zu steigen, aber der Hunger quälte ihn, und er dachte ‘wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte.’ Als er herab kam, sah er mit Erstaunen unter dem Baum einen Tisch, der mit Speisen reichlich besetzt war, die ihm entgegen dampften. ‘Diesmal,’ sprach er, ‘ist mein Wunsch zu rechter Zeit erfüllt worden,’ und ohne zu fragen wer das Essen gebracht und wer es gekocht hätte, nahte er sich dem Tisch und aß mit Lust bis er seinen Hunger gestillt hatte. Als er fertig war, dachte er ‘es wäre doch Schade wenn das feine Tischtüchlein hier in dem Walde verderben sollte,’ legte es säuberlich zusammen und steckte es ein. Darauf gieng er weiter, und Abends, als der Hunger sich wieder regte, wollte er sein Tüchlein auf die Probe stellen, breitete es aus und sagte ‘so wünsche ich daß du abermals mit guten Speisen besetzt wärest,’ und kaum war der Wunsch über seine Lippen gekommen, so standen so viel Schüsseln mit dem schönsten Essen darauf, als nur Platz hatten. ‘Jetzt merke ich,’ sagte er, ‘in welcher Küche für mich gekocht wird; du sollst mir lieber sein als der Berg von Silber und Gold,’ denn er sah wohl daß es ein Tüchleindeckdich war. Das Tüchlein war ihm aber doch nicht genug, um sich daheim zur Ruhe zu setzen, sondern er wollte lieber noch in der Welt herum wandern und weiter sein Glück versuchen. Eines Abends traf er in einem einsamen Walde einen schwarz bestaubten Köhler, der brannte da Kohlen, und hatte Kartoffeln am Feuer stehen, damit wollte er seine Mahlzeit halten. ‘Guten Abend, du Schwarzamsel,’ sagte er, ‘wie geht dirs in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |