Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so giengs fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da gieng abermals die Thüre auf, und das kleine Männchen erschien und sprach 'was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?' 'Meinen Ring von dem Finger' antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fieng wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach 'die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dirs aber, so sollst du meine Gemahlin werden.' 'Wenns auch eine Müllerstochter ist,' dachte er, 'eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.' Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach 'was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?' 'Jch habe nichts mehr, das ich geben könnte' antwortete das Mädchen. 'So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.' 'Wer weiß wie das noch geht' dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin. dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so giengs fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da gieng abermals die Thüre auf, und das kleine Männchen erschien und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?’ ‘Meinen Ring von dem Finger’ antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fieng wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach ‘die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dirs aber, so sollst du meine Gemahlin werden.’ ‘Wenns auch eine Müllerstochter ist,’ dachte er, ‘eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.’ Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?’ ‘Jch habe nichts mehr, das ich geben könnte’ antwortete das Mädchen. ‘So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.’ ‘Wer weiß wie das noch geht’ dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0315" n="282"/> dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so giengs fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da gieng abermals die Thüre auf, und das kleine Männchen erschien und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?’ ‘Meinen Ring von dem Finger’ antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fieng wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach ‘die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dirs aber, so sollst du meine Gemahlin werden.’ ‘Wenns auch eine Müllerstochter ist,’ dachte er, ‘eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.’ Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?’ ‘Jch habe nichts mehr, das ich geben könnte’ antwortete das Mädchen. ‘So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.’ ‘Wer weiß wie das noch geht’ dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [282/0315]
dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so giengs fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da gieng abermals die Thüre auf, und das kleine Männchen erschien und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?’ ‘Meinen Ring von dem Finger’ antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fieng wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach ‘die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dirs aber, so sollst du meine Gemahlin werden.’ ‘Wenns auch eine Müllerstochter ist,’ dachte er, ‘eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.’ Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach ‘was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?’ ‘Jch habe nichts mehr, das ich geben könnte’ antwortete das Mädchen. ‘So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.’ ‘Wer weiß wie das noch geht’ dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.
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