Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.sollte, endlich sagte er in der Angst 'Drachen haben keine Zungen.' Sprach der Jäger 'die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,' und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie 'dem, der den Drachen getödtet hat.' Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau und fragte wem es angehörte. Antwortete sie 'das Halsband und das goldene Schloß waren mein, ich habe es unter die Thiere vertheilt, die den Drachen besiegen halfen.' Da sprach der Jäger 'als ich müde von dem Kampf geruht und geschlafen habe, da ist der Marschall gekommen und hat mir den Kopf abgehauen. Dann hat er die Königstochter fortgetragen und vorgegeben er sei es gewesen, der den Drachen getödtet habe; und daß er gelogen hat, beweise ich mit den Zungen, dem Tuch und dem Halsband.' Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten, und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre, wo er den Betrug des Marschalls durch die Erzählung des Wirthes erfahren hätte. Da fragte der König seine Tochter, 'ist es wahr, daß dieser den Drachen getödtet hat?' Da antwortete sie 'ja, es ist wahr; jetzt darf ich die Schandthat des Marschalls offenbaren, weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist, denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen. Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden.' Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen, die sollten über den Marschall Urtheil sprechen, und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden. Also ward der Marschall sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jäger ‘die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getödtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau und fragte wem es angehörte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren mein, ich habe es unter die Thiere vertheilt, die den Drachen besiegen halfen.’ Da sprach der Jäger ‘als ich müde von dem Kampf geruht und geschlafen habe, da ist der Marschall gekommen und hat mir den Kopf abgehauen. Dann hat er die Königstochter fortgetragen und vorgegeben er sei es gewesen, der den Drachen getödtet habe; und daß er gelogen hat, beweise ich mit den Zungen, dem Tuch und dem Halsband.’ Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten, und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre, wo er den Betrug des Marschalls durch die Erzählung des Wirthes erfahren hätte. Da fragte der König seine Tochter, ‘ist es wahr, daß dieser den Drachen getödtet hat?’ Da antwortete sie ‘ja, es ist wahr; jetzt darf ich die Schandthat des Marschalls offenbaren, weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist, denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen. Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden.’ Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen, die sollten über den Marschall Urtheil sprechen, und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden. Also ward der Marschall <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0361" n="328"/> sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jäger ‘die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getödtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau und fragte wem es angehörte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren mein, ich habe es unter die Thiere vertheilt, die den Drachen besiegen halfen.’ Da sprach der Jäger ‘als ich müde von dem Kampf geruht und geschlafen habe, da ist der Marschall gekommen und hat mir den Kopf abgehauen. Dann hat er die Königstochter fortgetragen und vorgegeben er sei es gewesen, der den Drachen getödtet habe; und daß er gelogen hat, beweise ich mit den Zungen, dem Tuch und dem Halsband.’ Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten, und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre, wo er den Betrug des Marschalls durch die Erzählung des Wirthes erfahren hätte. Da fragte der König seine Tochter, ‘ist es wahr, daß dieser den Drachen getödtet hat?’ Da antwortete sie ‘ja, es ist wahr; jetzt darf ich die Schandthat des Marschalls offenbaren, weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist, denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen. Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden.’ Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen, die sollten über den Marschall Urtheil sprechen, und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden. Also ward der Marschall </p> </div> </body> </text> </TEI> [328/0361]
sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jäger ‘die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getödtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau und fragte wem es angehörte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren mein, ich habe es unter die Thiere vertheilt, die den Drachen besiegen halfen.’ Da sprach der Jäger ‘als ich müde von dem Kampf geruht und geschlafen habe, da ist der Marschall gekommen und hat mir den Kopf abgehauen. Dann hat er die Königstochter fortgetragen und vorgegeben er sei es gewesen, der den Drachen getödtet habe; und daß er gelogen hat, beweise ich mit den Zungen, dem Tuch und dem Halsband.’ Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten, und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre, wo er den Betrug des Marschalls durch die Erzählung des Wirthes erfahren hätte. Da fragte der König seine Tochter, ‘ist es wahr, daß dieser den Drachen getödtet hat?’ Da antwortete sie ‘ja, es ist wahr; jetzt darf ich die Schandthat des Marschalls offenbaren, weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist, denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen. Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden.’ Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen, die sollten über den Marschall Urtheil sprechen, und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden. Also ward der Marschall
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |