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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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Tag schloß es eine auf, bis die zwölfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel, und war von großem Glanz umgeben, und es freute sich über all die Pracht und Herrlichkeit, und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war die verbotene Thür allein noch übrig, da empfand es eine große Lust zu wissen was dahinter verborgen wäre, und sprach zu den Englein 'ganz aufmachen will ich sie nicht und will auch nicht hinein gehen, aber ich will sie aufschließen, damit wir ein wenig durch den Ritz sehen.' 'Ach nein,' sagten die Englein, 'das wäre Sünde: die Jungfrau Maria hats verboten, und es könnte leicht dein Unglück werden.' Da schwieg es still, aber die Begierde in seinem Herzen schwieg nicht still, sondern nagte und pickte ordentlich daran und ließ ihm keine Ruhe. Und als die Englein einmal alle hinausgegangen waren, dachte es 'nun bin ich ganz allein und könnte hinein gucken, es weiß es ja niemand, wenn ichs thue.' Es suchte den Schlüssel heraus und als es ihn in der Hand hielt, steckte es ihn auch in das Schloß, und als es ihn hinein gesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thüre auf, und es sah da die Dreieinigkeit im Feuer und Glanz sitzen. Es blieb ein Weilchen stehen und betrachtete alles mit Erstaunen, dann rührte es ein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward der Finger ganz golden. Alsbald empfand es eine gewaltige Angst, schlug die Thüre heftig zu und lief fort. Die Angst wollte auch nicht wieder weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte.

Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach 'hast du auch nicht die

Tag schloß es eine auf, bis die zwölfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel, und war von großem Glanz umgeben, und es freute sich über all die Pracht und Herrlichkeit, und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war die verbotene Thür allein noch übrig, da empfand es eine große Lust zu wissen was dahinter verborgen wäre, und sprach zu den Englein ‘ganz aufmachen will ich sie nicht und will auch nicht hinein gehen, aber ich will sie aufschließen, damit wir ein wenig durch den Ritz sehen.’ ‘Ach nein,’ sagten die Englein, ‘das wäre Sünde: die Jungfrau Maria hats verboten, und es könnte leicht dein Unglück werden.’ Da schwieg es still, aber die Begierde in seinem Herzen schwieg nicht still, sondern nagte und pickte ordentlich daran und ließ ihm keine Ruhe. Und als die Englein einmal alle hinausgegangen waren, dachte es ‘nun bin ich ganz allein und könnte hinein gucken, es weiß es ja niemand, wenn ichs thue.’ Es suchte den Schlüssel heraus und als es ihn in der Hand hielt, steckte es ihn auch in das Schloß, und als es ihn hinein gesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thüre auf, und es sah da die Dreieinigkeit im Feuer und Glanz sitzen. Es blieb ein Weilchen stehen und betrachtete alles mit Erstaunen, dann rührte es ein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward der Finger ganz golden. Alsbald empfand es eine gewaltige Angst, schlug die Thüre heftig zu und lief fort. Die Angst wollte auch nicht wieder weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte.

Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach ‘hast du auch nicht die

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[10/0043] Tag schloß es eine auf, bis die zwölfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel, und war von großem Glanz umgeben, und es freute sich über all die Pracht und Herrlichkeit, und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war die verbotene Thür allein noch übrig, da empfand es eine große Lust zu wissen was dahinter verborgen wäre, und sprach zu den Englein ‘ganz aufmachen will ich sie nicht und will auch nicht hinein gehen, aber ich will sie aufschließen, damit wir ein wenig durch den Ritz sehen.’ ‘Ach nein,’ sagten die Englein, ‘das wäre Sünde: die Jungfrau Maria hats verboten, und es könnte leicht dein Unglück werden.’ Da schwieg es still, aber die Begierde in seinem Herzen schwieg nicht still, sondern nagte und pickte ordentlich daran und ließ ihm keine Ruhe. Und als die Englein einmal alle hinausgegangen waren, dachte es ‘nun bin ich ganz allein und könnte hinein gucken, es weiß es ja niemand, wenn ichs thue.’ Es suchte den Schlüssel heraus und als es ihn in der Hand hielt, steckte es ihn auch in das Schloß, und als es ihn hinein gesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thüre auf, und es sah da die Dreieinigkeit im Feuer und Glanz sitzen. Es blieb ein Weilchen stehen und betrachtete alles mit Erstaunen, dann rührte es ein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward der Finger ganz golden. Alsbald empfand es eine gewaltige Angst, schlug die Thüre heftig zu und lief fort. Die Angst wollte auch nicht wieder weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte. Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach ‘hast du auch nicht die

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/43>, abgerufen am 21.11.2024.