im Wald war, hob er seinen Ranzen vom Rücken und wollt' ihn ausschütten; wie er ihn aber öff- nete, so war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das sah, war er vergnügt und ging in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus stand der Wirth und wie er ihn herankommen sah, erschrack er, weil Hans so entsetzlich aussah, ärger als eine Vogelscheu, und rief ihn an: "woher kommst du?" -- "Aus der Hölle." -- Wer bist du?" -- Des Teufels sein rußiger Bruder, und mein König auch." Der Wirth wollt' ihn nicht ein- lassen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er und klinkte ihm Hans selber die Thüre auf. Da ließ er sich nun die beste Stube geben, köstlich auf- warten, aß und trank sich satt, wusch sich aber nicht und kämmte sich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte sich endlich schlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen und ließ ihm keine Ruh', bis er in der Nacht hinschlich und ihn wegstahl.
Wie nun Hans am andern Morgen auf- stand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war sein Ranzen weg. Er faßte sich aber kurz, dachte, du bist ohne Schuld unglücklich gewesen, und kehrte wieder um geradezu in die Hölle; da klagte er es dem alten Teufel und bat ihn um Hülfe. Der Teufel sagte: "setz' dich, ich will dich waschen, kämmen, schnippen, die Haare und Nägel schneiden und die Augen auswischen,"
Kindermährchen II. G
im Wald war, hob er ſeinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt’ ihn ausſchuͤtten; wie er ihn aber oͤff- nete, ſo war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das ſah, war er vergnuͤgt und ging in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus ſtand der Wirth und wie er ihn herankommen ſah, erſchrack er, weil Hans ſo entſetzlich ausſah, aͤrger als eine Vogelſcheu, und rief ihn an: „woher kommſt du?“ — „Aus der Hoͤlle.“ — Wer biſt du?“ — Des Teufels ſein rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch.“ Der Wirth wollt’ ihn nicht ein- laſſen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er und klinkte ihm Hans ſelber die Thuͤre auf. Da ließ er ſich nun die beſte Stube geben, koͤſtlich auf- warten, aß und trank ſich ſatt, wuſch ſich aber nicht und kaͤmmte ſich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte ſich endlich ſchlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen und ließ ihm keine Ruh’, bis er in der Nacht hinſchlich und ihn wegſtahl.
Wie nun Hans am andern Morgen auf- ſtand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war ſein Ranzen weg. Er faßte ſich aber kurz, dachte, du biſt ohne Schuld ungluͤcklich geweſen, und kehrte wieder um geradezu in die Hoͤlle; da klagte er es dem alten Teufel und bat ihn um Huͤlfe. Der Teufel ſagte: „ſetz’ dich, ich will dich waſchen, kaͤmmen, ſchnippen, die Haare und Naͤgel ſchneiden und die Augen auswiſchen,“
Kindermaͤhrchen II. G
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im Wald war, hob er ſeinen Ranzen vom Ruͤcken
und wollt’ ihn ausſchuͤtten; wie er ihn aber oͤff-
nete, ſo war der Kehrdreck pures Gold geworden.
Als er das ſah, war er vergnuͤgt und ging in die
Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus ſtand der
Wirth und wie er ihn herankommen ſah, erſchrack
er, weil Hans ſo entſetzlich ausſah, aͤrger als
eine Vogelſcheu, und rief ihn an: „woher kommſt
du?“ — „Aus der Hoͤlle.“ — Wer biſt du?“ —
Des Teufels ſein rußiger Bruder, und mein
Koͤnig auch.“ Der Wirth wollt’ ihn nicht ein-
laſſen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er
und klinkte ihm Hans ſelber die Thuͤre auf. Da
ließ er ſich nun die beſte Stube geben, koͤſtlich auf-
warten, aß und trank ſich ſatt, wuſch ſich aber
nicht und kaͤmmte ſich nicht, wie ihm der Teufel
geheißen hatte, und legte ſich endlich ſchlafen.
Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor
den Augen und ließ ihm keine Ruh’, bis er in
der Nacht hinſchlich und ihn wegſtahl.
Wie nun Hans am andern Morgen auf-
ſtand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte,
da war ſein Ranzen weg. Er faßte ſich aber
kurz, dachte, du biſt ohne Schuld ungluͤcklich
geweſen, und kehrte wieder um geradezu in die
Hoͤlle; da klagte er es dem alten Teufel und bat
ihn um Huͤlfe. Der Teufel ſagte: „ſetz’ dich, ich
will dich waſchen, kaͤmmen, ſchnippen, die Haare
und Naͤgel ſchneiden und die Augen auswiſchen,“
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/118>, abgerufen am 22.12.2024.
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