König aber gefiel er nicht, weil er so schlechte Kleider an hatte, und er sprach daher, wer seine Tochter haben wollte, der müßte der Stadt erst Wasser verschaffen und damit hoffte er ihn los zu werden. Er aber ging hin, hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und darunter nach Wasser graben. Das thaten sie auch und kamen bald zu einer schönen Quelle, da war Wasser zum Ueberfluß; der König aber konnte ihm nun die Prinzessin nicht länger ab- schlagen und er wurde mit ihr vermählt und leb- ten sie in einer vergnügten Ehe.
Auf eine Zeit, als er durch's Feld spatziren ging, begegneten ihm seine beiden ehemaligen Ka- meraden, die so treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte sie gleich, ging auf sie zu und sprach: "seht, das ist euer ehemaliger Kammerad, dem ihr so schändlich die Augen ausgestochen habt, aber der liebe Gott hat mir's zum Glück gedeihen lassen." Da fielen sie ihm zu Füßen und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er sich ihrer und nahm sie mit sich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzählte ihnen darnach, wie es ihm ergangen und wie er zu diesen Ehren gekommen wäre; als die zwei das vernahmen, hatten sie keine Ruhe und wollten auch eine Nacht sich unter den Galgen setzen, ob sie vielleicht auch etwas Gutes hörten. Wie sie nun unter dem Galgen
Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er ſo ſchlechte Kleider an hatte, und er ſprach daher, wer ſeine Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erſt Waſſer verſchaffen und damit hoffte er ihn los zu werden. Er aber ging hin, hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und darunter nach Waſſer graben. Das thaten ſie auch und kamen bald zu einer ſchoͤnen Quelle, da war Waſſer zum Ueberfluß; der Koͤnig aber konnte ihm nun die Prinzeſſin nicht laͤnger ab- ſchlagen und er wurde mit ihr vermaͤhlt und leb- ten ſie in einer vergnuͤgten Ehe.
Auf eine Zeit, als er durch’s Feld ſpatziren ging, begegneten ihm ſeine beiden ehemaligen Ka- meraden, die ſo treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte ſie gleich, ging auf ſie zu und ſprach: „ſeht, das iſt euer ehemaliger Kammerad, dem ihr ſo ſchaͤndlich die Augen ausgeſtochen habt, aber der liebe Gott hat mir’s zum Gluͤck gedeihen laſſen.“ Da fielen ſie ihm zu Fuͤßen und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er ſich ihrer und nahm ſie mit ſich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzaͤhlte ihnen darnach, wie es ihm ergangen und wie er zu dieſen Ehren gekommen waͤre; als die zwei das vernahmen, hatten ſie keine Ruhe und wollten auch eine Nacht ſich unter den Galgen ſetzen, ob ſie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten. Wie ſie nun unter dem Galgen
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Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er ſo ſchlechte
Kleider an hatte, und er ſprach daher, wer ſeine
Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erſt
Waſſer verſchaffen und damit hoffte er ihn los zu
werden. Er aber ging hin, hieß die Leute den
viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und
darunter nach Waſſer graben. Das thaten ſie
auch und kamen bald zu einer ſchoͤnen Quelle,
da war Waſſer zum Ueberfluß; der Koͤnig aber
konnte ihm nun die Prinzeſſin nicht laͤnger ab-
ſchlagen und er wurde mit ihr vermaͤhlt und leb-
ten ſie in einer vergnuͤgten Ehe.
Auf eine Zeit, als er durch’s Feld ſpatziren
ging, begegneten ihm ſeine beiden ehemaligen Ka-
meraden, die ſo treulos an ihm gehandelt hatten.
Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte ſie gleich,
ging auf ſie zu und ſprach: „ſeht, das iſt euer
ehemaliger Kammerad, dem ihr ſo ſchaͤndlich die
Augen ausgeſtochen habt, aber der liebe Gott hat
mir’s zum Gluͤck gedeihen laſſen.“ Da fielen ſie
ihm zu Fuͤßen und baten um Gnade, und weil er
ein gutes Herz hatte, erbarmte er ſich ihrer und
nahm ſie mit ſich, gab ihnen auch Nahrung und
Kleider. Er erzaͤhlte ihnen darnach, wie es ihm
ergangen und wie er zu dieſen Ehren gekommen
waͤre; als die zwei das vernahmen, hatten ſie
keine Ruhe und wollten auch eine Nacht ſich unter
den Galgen ſetzen, ob ſie vielleicht auch etwas
Gutes hoͤrten. Wie ſie nun unter dem Galgen
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/144>, abgerufen am 22.12.2024.
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