lange Nase auf zwei Stangen und führten ihn also fort, und wie sie ein Eckchen weit gezogen waren, war er so schwer, daß sie ruhen mußten. Als sie so ruhten, sahen sie einen Baum neben sich stehen, daran hingen schöne Birnen; und hin- ter dem Baum kam das kleine rothe Männchen hervor und sagte zu dem Langnasigen, er sollte eine von den Birnen essen, so fiel ihm die Nase ab. Da aß er eine Birne und alsbald fiel die lange Nase ab und er behielt nicht mehr, als er zuvor hatte. Darauf sagte das Männchen: "brich dir von den Aepfeln und Birnen ab und mach' Pulver aus jedwedem, wem du von dem Apfel- pulver gibst, dem wächst die Nase, und wenn du dann von dem Birnpulver gibst, so fällt sie wie- der ab; und dann reise als Arzt und gib der Prin- zessin von den Aepfeln und dann auch von dem Pulver, da wächst ihr die Nase noch zwanzigmal länger als dir; aber halt dich fest." Da nahm er von den Aepfeln, ging an den Königshof und gab sich für einen Gärtnersbursch aus und sagte, er hätte eine Art Aepfel, wie in der Landschaft keine wüchsen. Wie die Prinzessin aber hörte davon, bat sie ihren Vater, er sollt' ihr einige von diesen Aepfeln kaufen; der König sprach: "kauf dir, soviel du willst." Da kaufte sie und aß einen, der schmeckte ihr so gut, daß sie meinte, sie hätte ihr Lebtag keinen so guten gegessen, und aß dann noch einen; wie das geschehen war,
lange Naſe auf zwei Stangen und fuͤhrten ihn alſo fort, und wie ſie ein Eckchen weit gezogen waren, war er ſo ſchwer, daß ſie ruhen mußten. Als ſie ſo ruhten, ſahen ſie einen Baum neben ſich ſtehen, daran hingen ſchoͤne Birnen; und hin- ter dem Baum kam das kleine rothe Maͤnnchen hervor und ſagte zu dem Langnaſigen, er ſollte eine von den Birnen eſſen, ſo fiel ihm die Naſe ab. Da aß er eine Birne und alsbald fiel die lange Naſe ab und er behielt nicht mehr, als er zuvor hatte. Darauf ſagte das Maͤnnchen: „brich dir von den Aepfeln und Birnen ab und mach’ Pulver aus jedwedem, wem du von dem Apfel- pulver gibſt, dem waͤchſt die Naſe, und wenn du dann von dem Birnpulver gibſt, ſo faͤllt ſie wie- der ab; und dann reiſe als Arzt und gib der Prin- zeſſin von den Aepfeln und dann auch von dem Pulver, da waͤchſt ihr die Naſe noch zwanzigmal laͤnger als dir; aber halt dich feſt.“ Da nahm er von den Aepfeln, ging an den Koͤnigshof und gab ſich fuͤr einen Gaͤrtnersburſch aus und ſagte, er haͤtte eine Art Aepfel, wie in der Landſchaft keine wuͤchſen. Wie die Prinzeſſin aber hoͤrte davon, bat ſie ihren Vater, er ſollt’ ihr einige von dieſen Aepfeln kaufen; der Koͤnig ſprach: „kauf dir, ſoviel du willſt.“ Da kaufte ſie und aß einen, der ſchmeckte ihr ſo gut, daß ſie meinte, ſie haͤtte ihr Lebtag keinen ſo guten gegeſſen, und aß dann noch einen; wie das geſchehen war,
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lange Naſe auf zwei Stangen und fuͤhrten ihn
alſo fort, und wie ſie ein Eckchen weit gezogen
waren, war er ſo ſchwer, daß ſie ruhen mußten.
Als ſie ſo ruhten, ſahen ſie einen Baum neben
ſich ſtehen, daran hingen ſchoͤne Birnen; und hin-
ter dem Baum kam das kleine rothe Maͤnnchen
hervor und ſagte zu dem Langnaſigen, er ſollte
eine von den Birnen eſſen, ſo fiel ihm die Naſe
ab. Da aß er eine Birne und alsbald fiel die
lange Naſe ab und er behielt nicht mehr, als er
zuvor hatte. Darauf ſagte das Maͤnnchen: „brich
dir von den Aepfeln und Birnen ab und mach’
Pulver aus jedwedem, wem du von dem Apfel-
pulver gibſt, dem waͤchſt die Naſe, und wenn du
dann von dem Birnpulver gibſt, ſo faͤllt ſie wie-
der ab; und dann reiſe als Arzt und gib der Prin-
zeſſin von den Aepfeln und dann auch von dem
Pulver, da waͤchſt ihr die Naſe noch zwanzigmal
laͤnger als dir; aber halt dich feſt.“ Da nahm
er von den Aepfeln, ging an den Koͤnigshof und
gab ſich fuͤr einen Gaͤrtnersburſch aus und ſagte,
er haͤtte eine Art Aepfel, wie in der Landſchaft
keine wuͤchſen. Wie die Prinzeſſin aber hoͤrte
davon, bat ſie ihren Vater, er ſollt’ ihr einige
von dieſen Aepfeln kaufen; der Koͤnig ſprach:
„kauf dir, ſoviel du willſt.“ Da kaufte ſie und
aß einen, der ſchmeckte ihr ſo gut, daß ſie meinte,
ſie haͤtte ihr Lebtag keinen ſo guten gegeſſen, und
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/212>, abgerufen am 22.12.2024.
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