Plage, daß er sich selbst sein Brot möge gewin- nen." Sanftmüthig sprach der Herr: "Schmied, leih' mir deine Esse und leg' mir Kohlen an, so will ich den alten, kranken Mann zu dieser Zeit verjüngen." Der Schmied war ganz bereit und St. Petrus zog die Bälge, und als das Kohl- feuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Männlein, schub's in die Esse, mit- ten in's rothe Feuer, daß es drin glühte, wie ein Rosenstock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Löschtrog, zog das glühend Männlein hinein, daß das Wasser über ihm zusammenschlug, und nachdem er's fein sitt- lich abgekühlet, gab er ihm seinen Segen; siehe, zuhand sprang das Männlein heraus, zart, ge- rad, gesund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen, lud sie alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halb- blinde bucklichte Schwieger, die machte sich zum Jüngling hin und fragte ihn fleißig: ob ihn das Feuer hart gebrennet? "Nie sey ihm besser gewe- sen, antwortete jener, er habe da in der Glut ge- sessen, wie in einem kühlen Thau."
Dies klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau und als der Herr frühmorgens die Straße weiter gezogen war, und dem Schmied wohl gedankt hatte, dachte der, er könnte seine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordent- lich alles zugesehn, und es in seine Kunst schlage.
Plage, daß er ſich ſelbſt ſein Brot moͤge gewin- nen.“ Sanftmuͤthig ſprach der Herr: „Schmied, leih’ mir deine Eſſe und leg’ mir Kohlen an, ſo will ich den alten, kranken Mann zu dieſer Zeit verjuͤngen.“ Der Schmied war ganz bereit und St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohl- feuer auffunkte, groß und hoch, nahm unſer Herr das alte Maͤnnlein, ſchub’s in die Eſſe, mit- ten in’s rothe Feuer, daß es drin gluͤhte, wie ein Roſenſtock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Loͤſchtrog, zog das gluͤhend Maͤnnlein hinein, daß das Waſſer uͤber ihm zuſammenſchlug, und nachdem er’s fein ſitt- lich abgekuͤhlet, gab er ihm ſeinen Segen; ſiehe, zuhand ſprang das Maͤnnlein heraus, zart, ge- rad, geſund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugeſehen, lud ſie alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halb- blinde bucklichte Schwieger, die machte ſich zum Juͤngling hin und fragte ihn fleißig: ob ihn das Feuer hart gebrennet? „Nie ſey ihm beſſer gewe- ſen, antwortete jener, er habe da in der Glut ge- ſeſſen, wie in einem kuͤhlen Thau.“
Dies klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war, und dem Schmied wohl gedankt hatte, dachte der, er koͤnnte ſeine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordent- lich alles zugeſehn, und es in ſeine Kunſt ſchlage.
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Plage, daß er ſich ſelbſt ſein Brot moͤge gewin-
nen.“ Sanftmuͤthig ſprach der Herr: „Schmied,
leih’ mir deine Eſſe und leg’ mir Kohlen an, ſo
will ich den alten, kranken Mann zu dieſer Zeit
verjuͤngen.“ Der Schmied war ganz bereit und
St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohl-
feuer auffunkte, groß und hoch, nahm unſer
Herr das alte Maͤnnlein, ſchub’s in die Eſſe, mit-
ten in’s rothe Feuer, daß es drin gluͤhte, wie ein
Roſenſtock, und Gott lobte mit lauter Stimme.
Nachdem trat der Herr zum Loͤſchtrog, zog das
gluͤhend Maͤnnlein hinein, daß das Waſſer uͤber
ihm zuſammenſchlug, und nachdem er’s fein ſitt-
lich abgekuͤhlet, gab er ihm ſeinen Segen; ſiehe,
zuhand ſprang das Maͤnnlein heraus, zart, ge-
rad, geſund und wie von zwanzig Jahren. Der
Schmied, der eben und genau zugeſehen, lud ſie
alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halb-
blinde bucklichte Schwieger, die machte ſich zum
Juͤngling hin und fragte ihn fleißig: ob ihn das
Feuer hart gebrennet? „Nie ſey ihm beſſer gewe-
ſen, antwortete jener, er habe da in der Glut ge-
ſeſſen, wie in einem kuͤhlen Thau.“
Dies klang die ganze Nacht in den Ohren
der alten Frau und als der Herr fruͤhmorgens die
Straße weiter gezogen war, und dem Schmied
wohl gedankt hatte, dachte der, er koͤnnte ſeine alte
Schwieger auch jung machen, da er fein ordent-
lich alles zugeſehn, und es in ſeine Kunſt ſchlage.
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/308>, abgerufen am 23.12.2024.
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