Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmalzes an ihrem Leibe und sechzig Fuder Salzes.
Ist das nicht gelogen genug? Da sah ich zackern
einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jähri-
ges Kind warf vier Mühlensteine von Regensburg
bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg;
und ein Habicht schwamm über den Rhein, das
that er mit vollem Recht, da hört' ich Fische mit-
einander Lärm anfangen, daß es in den Himmel
hinauf scholl, und ein süßer Honig floß wie Wasser
von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg,
das waren seltsame Geschichten. Da waren zwei
Krähen, mähten eine Wiese, und ich sah zwei
Mücken an einer Brücke bauen, und zwei Tau-
ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur-
fen zwei Zicklein, aber zwei Frösche droschen mit-
einander Getreid aus. Da sah ich zwei Mäuse
einen Bischof weihen, zwei Katzen, die einem
Bären die Zunge auskratzten. Da kam eine
Schnecke gerennt und erschlug zwei wilde Löwen,
da stand ein Bartscheerer, schor einer Frauen ih-
ren Bart ab, und zwei säugende Kinder hießen ihre
Mutter stillschweigen. Da sah' ich zwei Wind-
hunde, brachten eine Mühle aus dem Wasser ge-
tragen und eine alte Schindmähre stand dabei,
die sprach: es wäre Recht. Und im Hof standen
vier Rosse, die droschen Korn aus allen Kräften,
und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine
rothe Kuh schoß das Brot in den Ofen. Da krähte

Schmalzes an ihrem Leibe und ſechzig Fuder Salzes.
Iſt das nicht gelogen genug? Da ſah ich zackern
einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhri-
ges Kind warf vier Muͤhlenſteine von Regensburg
bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg;
und ein Habicht ſchwamm uͤber den Rhein, das
that er mit vollem Recht, da hoͤrt’ ich Fiſche mit-
einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel
hinauf ſcholl, und ein ſuͤßer Honig floß wie Waſſer
von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg,
das waren ſeltſame Geſchichten. Da waren zwei
Kraͤhen, maͤhten eine Wieſe, und ich ſah zwei
Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tau-
ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur-
fen zwei Zicklein, aber zwei Froͤſche droſchen mit-
einander Getreid aus. Da ſah ich zwei Maͤuſe
einen Biſchof weihen, zwei Katzen, die einem
Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine
Schnecke gerennt und erſchlug zwei wilde Loͤwen,
da ſtand ein Bartſcheerer, ſchor einer Frauen ih-
ren Bart ab, und zwei ſaͤugende Kinder hießen ihre
Mutter ſtillſchweigen. Da ſah’ ich zwei Wind-
hunde, brachten eine Muͤhle aus dem Waſſer ge-
tragen und eine alte Schindmaͤhre ſtand dabei,
die ſprach: es waͤre Recht. Und im Hof ſtanden
vier Roſſe, die droſchen Korn aus allen Kraͤften,
und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine
rothe Kuh ſchoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0316" n="295"/>
Schmalzes an ihrem Leibe und &#x017F;echzig Fuder Salzes.<lb/>
I&#x017F;t das nicht gelogen genug? Da &#x017F;ah ich zackern<lb/>
einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein ja&#x0364;hri-<lb/>
ges Kind warf vier Mu&#x0364;hlen&#x017F;teine von Regensburg<lb/>
bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg;<lb/>
und ein Habicht &#x017F;chwamm u&#x0364;ber den Rhein, das<lb/>
that er mit vollem Recht, da ho&#x0364;rt&#x2019; ich Fi&#x017F;che mit-<lb/>
einander La&#x0364;rm anfangen, daß es in den Himmel<lb/>
hinauf &#x017F;choll, und ein &#x017F;u&#x0364;ßer Honig floß wie Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg,<lb/>
das waren &#x017F;elt&#x017F;ame Ge&#x017F;chichten. Da waren zwei<lb/>
Kra&#x0364;hen, ma&#x0364;hten eine Wie&#x017F;e, und ich &#x017F;ah zwei<lb/>
Mu&#x0364;cken an einer Bru&#x0364;cke bauen, und zwei Tau-<lb/>
ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur-<lb/>
fen zwei Zicklein, aber zwei Fro&#x0364;&#x017F;che dro&#x017F;chen mit-<lb/>
einander Getreid aus. Da &#x017F;ah ich zwei Ma&#x0364;u&#x017F;e<lb/>
einen Bi&#x017F;chof weihen, zwei Katzen, die einem<lb/>
Ba&#x0364;ren die Zunge auskratzten. Da kam eine<lb/>
Schnecke gerennt und er&#x017F;chlug zwei wilde Lo&#x0364;wen,<lb/>
da &#x017F;tand ein Bart&#x017F;cheerer, &#x017F;chor einer Frauen ih-<lb/>
ren Bart ab, und zwei &#x017F;a&#x0364;ugende Kinder hießen ihre<lb/>
Mutter &#x017F;till&#x017F;chweigen. Da &#x017F;ah&#x2019; ich zwei Wind-<lb/>
hunde, brachten eine Mu&#x0364;hle aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er ge-<lb/>
tragen und eine alte Schindma&#x0364;hre &#x017F;tand dabei,<lb/>
die &#x017F;prach: es wa&#x0364;re Recht. Und im Hof &#x017F;tanden<lb/>
vier Ro&#x017F;&#x017F;e, die dro&#x017F;chen Korn aus allen Kra&#x0364;ften,<lb/>
und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine<lb/>
rothe Kuh &#x017F;choß das Brot in den Ofen. Da kra&#x0364;hte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0316] Schmalzes an ihrem Leibe und ſechzig Fuder Salzes. Iſt das nicht gelogen genug? Da ſah ich zackern einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhri- ges Kind warf vier Muͤhlenſteine von Regensburg bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg; und ein Habicht ſchwamm uͤber den Rhein, das that er mit vollem Recht, da hoͤrt’ ich Fiſche mit- einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel hinauf ſcholl, und ein ſuͤßer Honig floß wie Waſſer von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg, das waren ſeltſame Geſchichten. Da waren zwei Kraͤhen, maͤhten eine Wieſe, und ich ſah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tau- ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur- fen zwei Zicklein, aber zwei Froͤſche droſchen mit- einander Getreid aus. Da ſah ich zwei Maͤuſe einen Biſchof weihen, zwei Katzen, die einem Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine Schnecke gerennt und erſchlug zwei wilde Loͤwen, da ſtand ein Bartſcheerer, ſchor einer Frauen ih- ren Bart ab, und zwei ſaͤugende Kinder hießen ihre Mutter ſtillſchweigen. Da ſah’ ich zwei Wind- hunde, brachten eine Muͤhle aus dem Waſſer ge- tragen und eine alte Schindmaͤhre ſtand dabei, die ſprach: es waͤre Recht. Und im Hof ſtanden vier Roſſe, die droſchen Korn aus allen Kraͤften, und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine rothe Kuh ſchoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/316
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/316>, abgerufen am 23.12.2024.