Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde standen, doch deren eine durft' des Nachts in ihrem Hause seyn. Da sprach sie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als sich der Tag nahete und sie wiederum zu ihren Gespielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt: "so du heute Vormittag kommst und mich ab- brichst, werd' ich erlöst und fürder bei dir bleiben;" als dann auch geschahe. Nun ist die Frage, wie sie ihr Mann erkannt habe, so die Blumen ganz gleich und ohne Unterschied waren? Antwort: dieweil sie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf sie, als auf die andern zwei, darbei sie der Mann erkannte.
70. Der goldene Schlüssel.
Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge- hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammen gesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern sich erst Feuer anma- chen und ein Bischen wärmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden auf-
69. Raͤthſel-Maͤrchen.
Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde ſtanden, doch deren eine durft’ des Nachts in ihrem Hauſe ſeyn. Da ſprach ſie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als ſich der Tag nahete und ſie wiederum zu ihren Geſpielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt: „ſo du heute Vormittag kommſt und mich ab- brichſt, werd’ ich erloͤſt und fuͤrder bei dir bleiben;“ als dann auch geſchahe. Nun iſt die Frage, wie ſie ihr Mann erkannt habe, ſo die Blumen ganz gleich und ohne Unterſchied waren? Antwort: dieweil ſie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf ſie, als auf die andern zwei, darbei ſie der Mann erkannte.
70. Der goldene Schluͤſſel.
Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge- hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zuſammen geſucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er ſo erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, ſondern ſich erſt Feuer anma- chen und ein Bischen waͤrmen. Da ſcharrte er den Schnee weg, und wie er ſo den Erdboden auf-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0318"n="297"/><divn="1"><head>69.<lb/><hirendition="#g">Raͤthſel-Maͤrchen</hi>.</head><lb/><p>Drei Frauen waren verwandelt in Blumen,<lb/>
die auf dem Felde ſtanden, doch deren eine durft’<lb/>
des Nachts in ihrem Hauſe ſeyn. Da ſprach ſie<lb/>
auf eine Zeit zu ihrem Mann, als ſich der Tag<lb/>
nahete und ſie wiederum zu ihren Geſpielen auf<lb/>
das Feld gehen und eine Blume werden mußt:<lb/>„ſo du heute Vormittag kommſt und mich ab-<lb/>
brichſt, werd’ ich erloͤſt und fuͤrder bei dir bleiben;“<lb/>
als dann auch geſchahe. Nun iſt die Frage, wie<lb/>ſie ihr Mann erkannt habe, ſo die Blumen ganz<lb/>
gleich und ohne Unterſchied waren? Antwort:<lb/>
dieweil ſie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf<lb/>
dem Feld war, fiel der Thau nicht auf ſie, als<lb/>
auf die andern zwei, darbei ſie der Mann erkannte.</p></div><lb/><divn="1"><head>70.<lb/><hirendition="#g">Der goldene Schluͤſſel</hi>.</head><lb/><p>Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer<lb/>
Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge-<lb/>
hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie<lb/>
er es nun zuſammen geſucht und aufgeladen hatte,<lb/>
wollte er, weil er ſo erfroren war, noch nicht<lb/>
nach Haus gehen, ſondern ſich erſt Feuer anma-<lb/>
chen und ein Bischen waͤrmen. Da ſcharrte er<lb/>
den Schnee weg, und wie er ſo den Erdboden auf-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[297/0318]
69.
Raͤthſel-Maͤrchen.
Drei Frauen waren verwandelt in Blumen,
die auf dem Felde ſtanden, doch deren eine durft’
des Nachts in ihrem Hauſe ſeyn. Da ſprach ſie
auf eine Zeit zu ihrem Mann, als ſich der Tag
nahete und ſie wiederum zu ihren Geſpielen auf
das Feld gehen und eine Blume werden mußt:
„ſo du heute Vormittag kommſt und mich ab-
brichſt, werd’ ich erloͤſt und fuͤrder bei dir bleiben;“
als dann auch geſchahe. Nun iſt die Frage, wie
ſie ihr Mann erkannt habe, ſo die Blumen ganz
gleich und ohne Unterſchied waren? Antwort:
dieweil ſie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf
dem Feld war, fiel der Thau nicht auf ſie, als
auf die andern zwei, darbei ſie der Mann erkannte.
70.
Der goldene Schluͤſſel.
Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer
Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge-
hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie
er es nun zuſammen geſucht und aufgeladen hatte,
wollte er, weil er ſo erfroren war, noch nicht
nach Haus gehen, ſondern ſich erſt Feuer anma-
chen und ein Bischen waͤrmen. Da ſcharrte er
den Schnee weg, und wie er ſo den Erdboden auf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/318>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.