gegessen." Der Müller freute sich und sagte, nun wäre die Mühle erlöst und er wollt' ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er sprach aber: "Geld will ich nicht, ich habe doch genug." Dann nahm er sein Mehl auf den Rücken und ging nach Haus und sagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hörte, da ward ihm erst recht Angst und er wußte sich nicht zu lassen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter- liefen. Da machte er das Fenster auf nach ein wenig frischer Luft, eh er sich's aber versah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenster in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr sehen konnte. Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun müßte sie den andern Streich hinnehmen, die sagte aber: "ach nein, ich kann's nicht aus- halten" und machte auch ein Fenster auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn' herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß sie auch hinausflog und noch viel höher als ihr Mann; und der rief ihr zu: "komm doch zu mir!" sie aber rief: "komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir;" und sie schwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob sie da noch schweben, das weiß ich nicht; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange und ging weiter.
gegeſſen.“ Der Muͤller freute ſich und ſagte, nun waͤre die Muͤhle erloͤſt und er wollt’ ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er ſprach aber: „Geld will ich nicht, ich habe doch genug.“ Dann nahm er ſein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach Haus und ſagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun ſeinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erſt recht Angſt und er wußte ſich nicht zu laſſen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter- liefen. Da machte er das Fenſter auf nach ein wenig friſcher Luft, eh er ſich’s aber verſah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenſter in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr ſehen konnte. Da ſprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte ſie den andern Streich hinnehmen, die ſagte aber: „ach nein, ich kann’s nicht aus- halten“ und machte auch ein Fenſter auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß ſie auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann; und der rief ihr zu: „komm doch zu mir!“ ſie aber rief: „komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir;“ und ſie ſchwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob ſie da noch ſchweben, das weiß ich nicht; der junge Rieſe aber nahm ſeine Eiſenſtange und ging weiter.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="36"/>
gegeſſen.“ Der Muͤller freute ſich und ſagte,<lb/>
nun waͤre die Muͤhle erloͤſt und er wollt’ ihm gern<lb/>
zur Belohnung viel Geld geben. Er ſprach aber:<lb/>„Geld will ich nicht, ich habe doch genug.“ Dann<lb/>
nahm er ſein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach<lb/>
Haus und ſagte dem Amtmann, er habe die Sache<lb/>
ausgerichtet und wollte nun ſeinen bedungenen<lb/>
Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da<lb/>
ward ihm erſt recht Angſt und er wußte ſich nicht<lb/>
zu laſſen und ging in der Stube auf und ab, daß<lb/>
ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter-<lb/>
liefen. Da machte er das Fenſter auf nach ein<lb/>
wenig friſcher Luft, eh er ſich’s aber verſah, hatte<lb/>
ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er<lb/>
durchs Fenſter in die Luft hinein flog, immer<lb/>
fort, bis ihn niemand mehr ſehen konnte. Da<lb/>ſprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns,<lb/>
nun muͤßte ſie den andern Streich hinnehmen,<lb/>
die ſagte aber: „ach nein, ich kann’s nicht aus-<lb/>
halten“ und machte auch ein Fenſter auf, weil ihr<lb/>
die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen.<lb/>
Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß ſie<lb/>
auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann;<lb/>
und der rief ihr zu: „komm doch zu mir!“ſie<lb/>
aber rief: „komm du doch zu mir, ich kann nicht<lb/>
zu dir;“ und ſie ſchwebten da in der Luft und<lb/>
konnte keins zum andern, und ob ſie da noch<lb/>ſchweben, das weiß ich nicht; der junge Rieſe<lb/>
aber nahm ſeine Eiſenſtange und ging weiter.</p></div><lb/></body></text></TEI>
[36/0057]
gegeſſen.“ Der Muͤller freute ſich und ſagte,
nun waͤre die Muͤhle erloͤſt und er wollt’ ihm gern
zur Belohnung viel Geld geben. Er ſprach aber:
„Geld will ich nicht, ich habe doch genug.“ Dann
nahm er ſein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach
Haus und ſagte dem Amtmann, er habe die Sache
ausgerichtet und wollte nun ſeinen bedungenen
Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da
ward ihm erſt recht Angſt und er wußte ſich nicht
zu laſſen und ging in der Stube auf und ab, daß
ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter-
liefen. Da machte er das Fenſter auf nach ein
wenig friſcher Luft, eh er ſich’s aber verſah, hatte
ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er
durchs Fenſter in die Luft hinein flog, immer
fort, bis ihn niemand mehr ſehen konnte. Da
ſprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns,
nun muͤßte ſie den andern Streich hinnehmen,
die ſagte aber: „ach nein, ich kann’s nicht aus-
halten“ und machte auch ein Fenſter auf, weil ihr
die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen.
Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß ſie
auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann;
und der rief ihr zu: „komm doch zu mir!“ ſie
aber rief: „komm du doch zu mir, ich kann nicht
zu dir;“ und ſie ſchwebten da in der Luft und
konnte keins zum andern, und ob ſie da noch
ſchweben, das weiß ich nicht; der junge Rieſe
aber nahm ſeine Eiſenſtange und ging weiter.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/57>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.