geben, wenn du die anhättest und sprächst, du wolltest oben auf dem Berg seyn, so stünden wir da unten und hätten nichts." "Nein, sprach er, das will ich nicht thun," da gaben sie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stücke hatte, da wünschte er sich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Riesen ver- schwunden und war also ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hörte er Geigen und Flöten und die Leute sagten ihm, seine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er seinen Mantel an, und machte sich zur Fliege, ging in's Schloß hinein und stellte sich hin- ter seine Gemahlin, und niemand sah ihn. Wenn sie ihr nun ein Stück Fleisch auf den Teller leg- ten, nahm er's weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er's weg und tranks; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schämte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; da sprach sie vor sich: "ist denn der Teufel über mir oder mein Erlöser kam nie!" da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei- gen und sagte: "kam dein Erlöser nie, er ist über dir, du Betrügerin! habe ich das an dir verdient?" Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit wär' aus, er wäre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Königen, Fürsten und Ministern, die da waren. Er aber gab kurze
geben, wenn du die anhaͤtteſt und ſpraͤchſt, du wollteſt oben auf dem Berg ſeyn, ſo ſtuͤnden wir da unten und haͤtten nichts.“ „Nein, ſprach er, das will ich nicht thun,“ da gaben ſie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, da wuͤnſchte er ſich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Rieſen ver- ſchwunden und war alſo ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten und die Leute ſagten ihm, ſeine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er ſeinen Mantel an, und machte ſich zur Fliege, ging in’s Schloß hinein und ſtellte ſich hin- ter ſeine Gemahlin, und niemand ſah ihn. Wenn ſie ihr nun ein Stuͤck Fleiſch auf den Teller leg- ten, nahm er’s weg und aß es, und wenn ſie ihr ein Glas Wein einſchenkten, nahm er’s weg und tranks; ſie gaben ihr immer und ſie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da ſchaͤmte ſie ſich, ſtand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; da ſprach ſie vor ſich: „iſt denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤſer kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei- gen und ſagte: „kam dein Erloͤſer nie, er iſt uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und ſagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrſten und Miniſtern, die da waren. Er aber gab kurze
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geben, wenn du die anhaͤtteſt und ſpraͤchſt, du
wollteſt oben auf dem Berg ſeyn, ſo ſtuͤnden wir
da unten und haͤtten nichts.“ „Nein, ſprach er,
das will ich nicht thun,“ da gaben ſie ihm die
Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke
hatte, da wuͤnſchte er ſich auf den goldenen Berg,
und alsbald war er dort, und die Rieſen ver-
ſchwunden und war alſo ihr Erbe getheilt. Als
er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und
Floͤten und die Leute ſagten ihm, ſeine Gemahlin
halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da
zog er ſeinen Mantel an, und machte ſich zur
Fliege, ging in’s Schloß hinein und ſtellte ſich hin-
ter ſeine Gemahlin, und niemand ſah ihn. Wenn
ſie ihr nun ein Stuͤck Fleiſch auf den Teller leg-
ten, nahm er’s weg und aß es, und wenn ſie ihr
ein Glas Wein einſchenkten, nahm er’s weg und
tranks; ſie gaben ihr immer und ſie hatte doch
immer nichts auf dem Teller. Da ſchaͤmte ſie
ſich, ſtand auf, ging in ihre Kammer und weinte,
er aber ging hinter ihr her; da ſprach ſie vor ſich:
„iſt denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤſer
kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei-
gen und ſagte: „kam dein Erloͤſer nie, er iſt
uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir
verdient?“ Darauf ging er hin und ſagte, die
Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da
wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrſten und
Miniſtern, die da waren. Er aber gab kurze
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/73>, abgerufen am 22.12.2024.
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