Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.sie ihr nun ein Stück Fleisch auf den Teller legten, nahm er's weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er's weg und trank's; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schämte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; Da sprach sie vor sich: "ist denn der Teufel über mir oder mein Erlöser kam nie!" da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen und sagte: "kam dein Erlöser nie, er ist über dir, du Betrügerin! habe ich das an dir verdient?" Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit wär' aus, er wäre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Königen, Fürsten und Räthen, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: "Köpf' alle runter, nur meiner nicht!" Da lag alles gleich im Blut darnieder und er war wieder König vom goldenen Berge. 93.
Die Rabe. Es war einmal eine Mutter mit einem Töchterchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: ich wollt' du wärst eine Rabe und flögst sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten, nahm er’s weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er’s weg und trank’s; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; Da sprach sie vor sich: „ist denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤser kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen und sagte: „kam dein Erloͤser nie, er ist uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Raͤthen, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ Da lag alles gleich im Blut darnieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge. 93.
Die Rabe. Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: ich wollt’ du waͤrst eine Rabe und floͤgst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="45"/> sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten, nahm er’s weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er’s weg und trank’s; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; Da sprach sie vor sich: „ist denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤser kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen und sagte: „kam dein Erloͤser nie, er ist uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Raͤthen, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ Da lag alles gleich im Blut darnieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">93.<lb/> Die Rabe.</hi> </head><lb/> <p>Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: ich wollt’ du waͤrst eine Rabe und floͤgst </p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0123]
sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten, nahm er’s weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er’s weg und trank’s; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; Da sprach sie vor sich: „ist denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤser kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen und sagte: „kam dein Erloͤser nie, er ist uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Raͤthen, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ Da lag alles gleich im Blut darnieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.
93.
Die Rabe.
Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: ich wollt’ du waͤrst eine Rabe und floͤgst
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.
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