Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

kommt Gnade," und ward auch aus dem Wagen Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, prächtig gekleidet und sprach: "ihr drei seyd unschuldig; ihr dürft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und gehört habt." Da sprach der älteste: "wir haben den Kaufmann nicht getödtet, der Mörder steht da im Kreis" und deutete auf den Wirth; "zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da hängen noch viele andere, die er ums Leben gebracht." Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie's gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf führen und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: "nun hab' ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld für euer Lebtag."

121.
Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet.

Es war einmal ein Königssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er: "ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang und ich werde wunderliche Dinge genug sehen." Also nahm er von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg führte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er müd war, setzte er sich vor die Thüre und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen

kommt Gnade,“ und ward auch aus dem Wagen Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und sprach: „ihr drei seyd unschuldig; ihr duͤrft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und gehoͤrt habt.“ Da sprach der aͤlteste: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder steht da im Kreis“ und deutete auf den Wirth; „zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er ums Leben gebracht.“ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.“

121.
Der Koͤnigssohn, der sich vor nichts fuͤrchtet.

Es war einmal ein Koͤnigssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er: „ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.“ Also nahm er von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg fuͤhrte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er muͤd war, setzte er sich vor die Thuͤre und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="164"/>
kommt Gnade,&#x201C; und ward auch aus dem Wagen Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, pra&#x0364;chtig gekleidet und sprach: &#x201E;ihr drei seyd unschuldig; ihr du&#x0364;rft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und geho&#x0364;rt habt.&#x201C; Da sprach der a&#x0364;lteste: &#x201E;wir haben den Kaufmann nicht geto&#x0364;dtet, der Mo&#x0364;rder steht da im Kreis&#x201C; und deutete auf den Wirth; &#x201E;zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da ha&#x0364;ngen noch viele andere, die er ums Leben gebracht.&#x201C; Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie&#x2019;s gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fu&#x0364;hren und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: &#x201E;nun hab&#x2019; ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld fu&#x0364;r euer Lebtag.&#x201C;</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">121.<lb/>
Der Ko&#x0364;nigssohn, der sich vor nichts fu&#x0364;rchtet.</hi> </head><lb/>
        <p>Es war einmal ein Ko&#x0364;nigssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er: &#x201E;ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.&#x201C; Also nahm er von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg fu&#x0364;hrte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er mu&#x0364;d war, setzte er sich vor die Thu&#x0364;re und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0242] kommt Gnade,“ und ward auch aus dem Wagen Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und sprach: „ihr drei seyd unschuldig; ihr duͤrft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und gehoͤrt habt.“ Da sprach der aͤlteste: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder steht da im Kreis“ und deutete auf den Wirth; „zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er ums Leben gebracht.“ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.“ 121. Der Koͤnigssohn, der sich vor nichts fuͤrchtet. Es war einmal ein Koͤnigssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er: „ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.“ Also nahm er von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg fuͤhrte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er muͤd war, setzte er sich vor die Thuͤre und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/242
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/242>, abgerufen am 21.11.2024.