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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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Dieb sie wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen brütete sie vollends aus und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenäht, ein roth Streifchen um den Hals.

"Ja, sprach der Alte zu seinen Söhnen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was rechtschaffenes gelernt, ich kann nicht sagen, wem von euch der Vorzug gebührt. Wenn ihr nur eure Kunst bald anwenden könnt!" Nicht lang darnach kam ein großer Lärm ins Land, die Königstochter wär von einem Drachen entführt. Der König war Tag und Nacht darüber in Sorgen und ließ bekannt machen: "wer sie zurückbrächte, sollte sie zur Gemahlin haben." Die vier Brüder sprachen unter einander, das wäre eine Gelegenheit, wo wir uns könnten sehen lassen und beschlossen, die Königstochter zu befreien. "Wo sie ist, will ich bald wissen," sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas und sprach: "ich sehe sie, sie sitzt weit von hier, auf einem Felsen im Meer, bei dem Drachen, der sie hütet." Da ging er zu dem König, und bat ihn um ein Schiff für sich und seine Brüder und fuhr mit ihnen fort und über das Meer, bis sie zur Stätte hinkamen. Die Königstochter saß da und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief; der Jäger sprach: "ich darf ihn nicht schießen, ich würde die schöne Jungfrau zugleich tödten." "So will ich mein Heil versuchen," sagte der Dieb und stahl sie unter dem Drachen weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr

Dieb sie wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollends aus und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein roth Streifchen um den Hals.

„Ja, sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was rechtschaffenes gelernt, ich kann nicht sagen, wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur eure Kunst bald anwenden koͤnnt!“ Nicht lang darnach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤr von einem Drachen entfuͤhrt. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen und ließ bekannt machen: „wer sie zuruͤckbraͤchte, sollte sie zur Gemahlin haben.“ Die vier Bruͤder sprachen unter einander, das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen und beschlossen, die Koͤnigstochter zu befreien. „Wo sie ist, will ich bald wissen,“ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas und sprach: „ich sehe sie, sie sitzt weit von hier, auf einem Felsen im Meer, bei dem Drachen, der sie huͤtet.“ Da ging er zu dem Koͤnig, und bat ihn um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder und fuhr mit ihnen fort und uͤber das Meer, bis sie zur Staͤtte hinkamen. Die Koͤnigstochter saß da und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief; der Jaͤger sprach: „ich darf ihn nicht schießen, ich wuͤrde die schoͤne Jungfrau zugleich toͤdten.“ „So will ich mein Heil versuchen,“ sagte der Dieb und stahl sie unter dem Drachen weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr

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[210/0288] Dieb sie wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollends aus und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein roth Streifchen um den Hals. „Ja, sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was rechtschaffenes gelernt, ich kann nicht sagen, wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur eure Kunst bald anwenden koͤnnt!“ Nicht lang darnach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤr von einem Drachen entfuͤhrt. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen und ließ bekannt machen: „wer sie zuruͤckbraͤchte, sollte sie zur Gemahlin haben.“ Die vier Bruͤder sprachen unter einander, das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen und beschlossen, die Koͤnigstochter zu befreien. „Wo sie ist, will ich bald wissen,“ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas und sprach: „ich sehe sie, sie sitzt weit von hier, auf einem Felsen im Meer, bei dem Drachen, der sie huͤtet.“ Da ging er zu dem Koͤnig, und bat ihn um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder und fuhr mit ihnen fort und uͤber das Meer, bis sie zur Staͤtte hinkamen. Die Koͤnigstochter saß da und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief; der Jaͤger sprach: „ich darf ihn nicht schießen, ich wuͤrde die schoͤne Jungfrau zugleich toͤdten.“ „So will ich mein Heil versuchen,“ sagte der Dieb und stahl sie unter dem Drachen weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/288>, abgerufen am 22.11.2024.