Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kräfte der Kräuter, Vögel und Steine. Wärst du einmal darin, du würdest fühlen, was für Herrlichkeit aus ihm fließt." Der Schüler, wie er das alles hörte, erstaunte und sprach: "gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, könnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?" Oben der antwortete, als thät ers nicht gern: "eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen für Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stück übrig, das ich erst lernen muß." Als der Schüler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch mögte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit wäre gar zu groß. Da stellte sich der oben, als gäb er endlich nach und sprach: "damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen." Also ließ der Schüler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: "nun zieh mich recht geschwind hinauf," und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. "Halt!" sagte der andere, "so gehts nicht an," packte ihn beim Kopf, steckte ihn rücklings in den Sack, schnürte zu und zog den Jünger der Weisheit am Strick baumwärts und schwengelte ihn in der Luft: "wie stehts, mein lieber Gesell? siehe, schon fühlst du, daß dir die Weisheit kommt, der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤrst du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erstaunte und sprach: „gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?“ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben, als gaͤb er endlich nach und sprach: „damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.“ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: „nun zieh mich recht geschwind hinauf,“ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so gehts nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn ruͤcklings in den Sack, schnuͤrte zu und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts und schwengelte ihn in der Luft: „wie stehts, mein lieber Gesell? siehe, schon fuͤhlst du, daß dir die Weisheit kommt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0346" n="268"/> der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤrst du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erstaunte und sprach: „gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?“ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben, als gaͤb er endlich nach und sprach: „damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.“ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: „nun zieh mich recht geschwind hinauf,“ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so gehts nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn ruͤcklings in den Sack, schnuͤrte zu und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts und schwengelte ihn in der Luft: „wie stehts, mein lieber Gesell? siehe, schon fuͤhlst du, daß dir die Weisheit kommt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [268/0346]
der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤrst du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erstaunte und sprach: „gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?“ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben, als gaͤb er endlich nach und sprach: „damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.“ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: „nun zieh mich recht geschwind hinauf,“ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so gehts nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn ruͤcklings in den Sack, schnuͤrte zu und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts und schwengelte ihn in der Luft: „wie stehts, mein lieber Gesell? siehe, schon fuͤhlst du, daß dir die Weisheit kommt,
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.
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