Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.liefen zum Wald hinein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her. 148.
Des Herrn und des Teufels Gethier. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Mühe losknüpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stümpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schädigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Güte und Gnaden seine Wölfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: "dein Geschöpf hat mir das meine zerrissen." Der Herr antwortete: "was hattest du es zu Schaden erschaffen?" Der Teufel sagte: "ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen." liefen zum Wald hinein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her. 148.
Des Herrn und des Teufels Gethier. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: „dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete: „was hattest du es zu Schaden erschaffen?“ Der Teufel sagte: „ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0349" n="271"/> liefen zum Wald hinein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">148.<lb/> Des Herrn und des Teufels Gethier.</hi> </head><lb/> <p>Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.</p><lb/> <p>Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: „dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete: „was hattest du es zu Schaden erschaffen?“ Der Teufel sagte: „ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen.“ </p> </div> </body> </text> </TEI> [271/0349]
liefen zum Wald hinein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.
148.
Des Herrn und des Teufels Gethier.
Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.
Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: „dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete: „was hattest du es zu Schaden erschaffen?“ Der Teufel sagte: „ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen.“
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.
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