Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

und als es noch ein Bischen gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Mädchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben; und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich für sein Lebtag.

154.
Der gestohlene Heller.

Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen und es zwölf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thüre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen; es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zurück und ging eben so still wieder zur Thüre hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise; da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das schöne Kind gehöre, das alle Mittag in die

und als es noch ein Bischen gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Maͤdchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben; und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich fuͤr sein Lebtag.

154.
Der gestohlene Heller.

Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen und es zwoͤlf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thuͤre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen; es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck und ging eben so still wieder zur Thuͤre hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise; da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das schoͤne Kind gehoͤre, das alle Mittag in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0355" n="277"/>
und als es noch ein Bischen gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Ro&#x0364;cklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Ma&#x0364;dchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben; und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich fu&#x0364;r sein Lebtag.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">154.<lb/>
Der gestohlene Heller.</hi> </head><lb/>
        <p>Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen und es zwo&#x0364;lf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thu&#x0364;re aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen; es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuru&#x0364;ck und ging eben so still wieder zur Thu&#x0364;re hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise; da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das scho&#x0364;ne Kind geho&#x0364;re, das alle Mittag in die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0355] und als es noch ein Bischen gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Maͤdchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben; und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich fuͤr sein Lebtag. 154. Der gestohlene Heller. Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen und es zwoͤlf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thuͤre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen; es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck und ging eben so still wieder zur Thuͤre hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise; da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das schoͤne Kind gehoͤre, das alle Mittag in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/355
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/355>, abgerufen am 24.11.2024.