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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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er ein Vöglein, das sang so schön und herrlich, da ward er noch betrübter und sprach: "wie singst du so fröhlich! dir zürnt der Herr nicht; ach, wenn du mir sagen könntest, womit ich ihn beleidigt habe, damit ich Buße thäte und mein Herz auch wieder fröhlich würde!" Da fing das Vöglein an zu sprechen und sagte zu ihm: "du hast unrecht gethan, weil du einen armen Sünder verdammt hast, der zum Galgen geführt wurde, darum zürnt dir der Herr; doch wenn du Buße thun und deine Sünde bereuen willst, so wird er dir verzeihen." Da stand der Engel neben ihm und hatte einen trockenen Ast in der Hand und sprach: "diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen, bis drei grüne Zweige aus ihm hervorsprießen, und Nachts, wenn du schlafen willst, sollst du ihn unter dein Haupt legen. Dein Brot sollst du dir an den Thüren erbitten und in demselben Hause nicht länger als eine Nacht verweilen. Das ist die Buße, die dir der Herr auflegt."

Da nahm der Einsiedler das Stück Holz und ging in die Welt zurück, die er so lange nicht gesehen hatte. Er aß und trank nichts, als was man ihm an den Thüren reichte, manche Bitte aber ward nicht gehört und manche Thüre blieb ihm verschlossen, also daß er oft ganze Tage lang keinen Krumen Brot bekam. Einmal war er vom Morgen bis Abend von Thüre zu Thüre gegangen; niemand hatte ihm etwas gegeben, niemand wollte ihn die Nacht beherbergen, da ging er hinaus in einen Wald und fand endlich eine angebaute Höhle und eine alte Frau saß darin. Da sprach er: "gute Frau, behaltet mich diese Nacht in euerm Hause." Aber sie antwortete: "nein, ich darf nicht,

er ein Voͤglein, das sang so schoͤn und herrlich, da ward er noch betruͤbter und sprach: „wie singst du so froͤhlich! dir zuͤrnt der Herr nicht; ach, wenn du mir sagen koͤnntest, womit ich ihn beleidigt habe, damit ich Buße thaͤte und mein Herz auch wieder froͤhlich wuͤrde!“ Da fing das Voͤglein an zu sprechen und sagte zu ihm: „du hast unrecht gethan, weil du einen armen Suͤnder verdammt hast, der zum Galgen gefuͤhrt wurde, darum zuͤrnt dir der Herr; doch wenn du Buße thun und deine Suͤnde bereuen willst, so wird er dir verzeihen.“ Da stand der Engel neben ihm und hatte einen trockenen Ast in der Hand und sprach: „diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen, bis drei gruͤne Zweige aus ihm hervorsprießen, und Nachts, wenn du schlafen willst, sollst du ihn unter dein Haupt legen. Dein Brot sollst du dir an den Thuͤren erbitten und in demselben Hause nicht laͤnger als eine Nacht verweilen. Das ist die Buße, die dir der Herr auflegt.“

Da nahm der Einsiedler das Stuͤck Holz und ging in die Welt zuruͤck, die er so lange nicht gesehen hatte. Er aß und trank nichts, als was man ihm an den Thuͤren reichte, manche Bitte aber ward nicht gehoͤrt und manche Thuͤre blieb ihm verschlossen, also daß er oft ganze Tage lang keinen Krumen Brot bekam. Einmal war er vom Morgen bis Abend von Thuͤre zu Thuͤre gegangen; niemand hatte ihm etwas gegeben, niemand wollte ihn die Nacht beherbergen, da ging er hinaus in einen Wald und fand endlich eine angebaute Hoͤhle und eine alte Frau saß darin. Da sprach er: „gute Frau, behaltet mich diese Nacht in euerm Hause.“ Aber sie antwortete: „nein, ich darf nicht,

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[299/0377] er ein Voͤglein, das sang so schoͤn und herrlich, da ward er noch betruͤbter und sprach: „wie singst du so froͤhlich! dir zuͤrnt der Herr nicht; ach, wenn du mir sagen koͤnntest, womit ich ihn beleidigt habe, damit ich Buße thaͤte und mein Herz auch wieder froͤhlich wuͤrde!“ Da fing das Voͤglein an zu sprechen und sagte zu ihm: „du hast unrecht gethan, weil du einen armen Suͤnder verdammt hast, der zum Galgen gefuͤhrt wurde, darum zuͤrnt dir der Herr; doch wenn du Buße thun und deine Suͤnde bereuen willst, so wird er dir verzeihen.“ Da stand der Engel neben ihm und hatte einen trockenen Ast in der Hand und sprach: „diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen, bis drei gruͤne Zweige aus ihm hervorsprießen, und Nachts, wenn du schlafen willst, sollst du ihn unter dein Haupt legen. Dein Brot sollst du dir an den Thuͤren erbitten und in demselben Hause nicht laͤnger als eine Nacht verweilen. Das ist die Buße, die dir der Herr auflegt.“ Da nahm der Einsiedler das Stuͤck Holz und ging in die Welt zuruͤck, die er so lange nicht gesehen hatte. Er aß und trank nichts, als was man ihm an den Thuͤren reichte, manche Bitte aber ward nicht gehoͤrt und manche Thuͤre blieb ihm verschlossen, also daß er oft ganze Tage lang keinen Krumen Brot bekam. Einmal war er vom Morgen bis Abend von Thuͤre zu Thuͤre gegangen; niemand hatte ihm etwas gegeben, niemand wollte ihn die Nacht beherbergen, da ging er hinaus in einen Wald und fand endlich eine angebaute Hoͤhle und eine alte Frau saß darin. Da sprach er: „gute Frau, behaltet mich diese Nacht in euerm Hause.“ Aber sie antwortete: „nein, ich darf nicht,

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/377>, abgerufen am 24.11.2024.