Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

tanzen könnte wann ich Lust hätte.' 'Von Herzen gern,' sagte das Schneiderlein, 'wenn dus lernen willst: aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Nägel ein wenig abschneiden.' Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Bär legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest, und sprach 'nun warte bis ich mit der Scheere komme,' ließ den Bär brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh, und schlief ein.

Die Prinzessin, als sie am Abend den Bären so gewaltig brummen hörte, glaubte nicht anders, als der brummte vor Freuden, und mit dem Schneider wärs jetzt vorbei. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnügt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor, und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies öffentlich versprochen hatte, und der König ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermählt werden. Wie sie eingestiegen waren, giengen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Glück nicht gönnten, in den Stall, und schraubten den Bären los; der war nun voller Wuth, und rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hörte ihn schnauben, und ward ihr angst, da sagte sie 'ach, der Bär ist hinter uns, und will dich holen.' Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, steckte die Beine zum Fenster hinaus, und rief 'siehst du den Schraubstock? wann

tanzen koͤnnte wann ich Lust haͤtte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte das Schneiderlein, ‘wenn dus lernen willst: aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden.’ Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Baͤr legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest, und sprach ‘nun warte bis ich mit der Scheere komme,’ ließ den Baͤr brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh, und schlief ein.

Die Prinzessin, als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der brummte vor Freuden, und mit dem Schneider waͤrs jetzt vorbei. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnuͤgt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor, und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies oͤffentlich versprochen hatte, und der Koͤnig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermaͤhlt werden. Wie sie eingestiegen waren, giengen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall, und schraubten den Baͤren los; der war nun voller Wuth, und rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hoͤrte ihn schnauben, und ward ihr angst, da sagte sie ‘ach, der Baͤr ist hinter uns, und will dich holen.’ Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, steckte die Beine zum Fenster hinaus, und rief ‘siehst du den Schraubstock? wann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="159"/>
tanzen ko&#x0364;nnte wann ich Lust ha&#x0364;tte.&#x2019; &#x2018;Von Herzen gern,&#x2019; sagte das Schneiderlein, &#x2018;wenn dus lernen willst: aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Na&#x0364;gel ein wenig abschneiden.&#x2019; Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Ba&#x0364;r legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest, und sprach &#x2018;nun warte bis ich mit der Scheere komme,&#x2019; ließ den Ba&#x0364;r brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh, und schlief ein.</p><lb/>
        <p>Die Prinzessin, als sie am Abend den Ba&#x0364;ren so gewaltig brummen ho&#x0364;rte, glaubte nicht anders, als der brummte vor Freuden, und mit dem Schneider wa&#x0364;rs jetzt vorbei. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnu&#x0364;gt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor, und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies o&#x0364;ffentlich versprochen hatte, und der Ko&#x0364;nig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da verma&#x0364;hlt werden. Wie sie eingestiegen waren, giengen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Glu&#x0364;ck nicht go&#x0364;nnten, in den Stall, und schraubten den Ba&#x0364;ren los; der war nun voller Wuth, und rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin ho&#x0364;rte ihn schnauben, und ward ihr angst, da sagte sie &#x2018;ach, der Ba&#x0364;r ist hinter uns, und will dich holen.&#x2019; Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, steckte die Beine zum Fenster hinaus, und rief &#x2018;siehst du den Schraubstock? wann
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0175] tanzen koͤnnte wann ich Lust haͤtte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte das Schneiderlein, ‘wenn dus lernen willst: aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden.’ Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Baͤr legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest, und sprach ‘nun warte bis ich mit der Scheere komme,’ ließ den Baͤr brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh, und schlief ein. Die Prinzessin, als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der brummte vor Freuden, und mit dem Schneider waͤrs jetzt vorbei. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnuͤgt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor, und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies oͤffentlich versprochen hatte, und der Koͤnig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermaͤhlt werden. Wie sie eingestiegen waren, giengen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall, und schraubten den Baͤren los; der war nun voller Wuth, und rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hoͤrte ihn schnauben, und ward ihr angst, da sagte sie ‘ach, der Baͤr ist hinter uns, und will dich holen.’ Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, steckte die Beine zum Fenster hinaus, und rief ‘siehst du den Schraubstock? wann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/175
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/175>, abgerufen am 21.11.2024.