Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

und schieb den Riegel vor,' und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille, und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Mädchen hörten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Lämmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Täubchen, und hatte seinen Kopf unter den Flügel gesteckt.

Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Thüre, als wollte er eingelassen seyn. Die Mutter sprach 'geschwind, Rosenroth, mach auf, es wird ein Wanderer seyn, der Obdach sucht.' Rosenroth gieng, und schob den Riegel weg, aber statt daß ein Mensch gekommen wäre, streckte ein Bär seinen dicken schwarzen Kopf zur Thüre herein. Rosenroth schrie laut, und sprang zurück; das Lämmchen blöckte, das Täubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Bär aber fieng an zu sprechen, und sagte 'fürchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren, und will mich nur ein wenig bei euch wärmen.' 'Ei, du armer Bär,' sprach die Mutter, 'leg dich ans Feuer, und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt.' Dann rief sie 'Schneeweißchen, Rosenroth, kommt hervor, der Bär thut euch nichts, er meints ehrlich.' Da kamen sie beide heran, und nach und nach näherten sich auch das Lämmchen und Täubchen, und hatten keine Furcht mehr. Der Bär sprach 'ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk,' und sie holten den Besen, und kehrten dem Bär das Fell

und schieb den Riegel vor,’ und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille, und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Maͤdchen hoͤrten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Laͤmmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Taͤubchen, und hatte seinen Kopf unter den Fluͤgel gesteckt.

Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Thuͤre, als wollte er eingelassen seyn. Die Mutter sprach ‘geschwind, Rosenroth, mach auf, es wird ein Wanderer seyn, der Obdach sucht.’ Rosenroth gieng, und schob den Riegel weg, aber statt daß ein Mensch gekommen waͤre, streckte ein Baͤr seinen dicken schwarzen Kopf zur Thuͤre herein. Rosenroth schrie laut, und sprang zuruͤck; das Laͤmmchen bloͤckte, das Taͤubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Baͤr aber fieng an zu sprechen, und sagte ‘fuͤrchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren, und will mich nur ein wenig bei euch waͤrmen.’ ‘Ei, du armer Baͤr,’ sprach die Mutter, ‘leg dich ans Feuer, und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt.’ Dann rief sie ‘Schneeweißchen, Rosenroth, kommt hervor, der Baͤr thut euch nichts, er meints ehrlich.’ Da kamen sie beide heran, und nach und nach naͤherten sich auch das Laͤmmchen und Taͤubchen, und hatten keine Furcht mehr. Der Baͤr sprach ‘ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk,’ und sie holten den Besen, und kehrten dem Baͤr das Fell

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0338" n="322"/>
und schieb den Riegel vor,&#x2019; und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille, und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Ma&#x0364;dchen ho&#x0364;rten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein La&#x0364;mmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Ta&#x0364;ubchen, und hatte seinen Kopf unter den Flu&#x0364;gel gesteckt.</p><lb/>
        <p>Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Thu&#x0364;re, als wollte er eingelassen seyn. Die Mutter sprach &#x2018;geschwind, Rosenroth, mach auf, es wird ein Wanderer seyn, der Obdach sucht.&#x2019; Rosenroth gieng, und schob den Riegel weg, aber statt daß ein Mensch gekommen wa&#x0364;re, streckte ein Ba&#x0364;r seinen dicken schwarzen Kopf zur Thu&#x0364;re herein. Rosenroth schrie laut, und sprang zuru&#x0364;ck; das La&#x0364;mmchen blo&#x0364;ckte, das Ta&#x0364;ubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Ba&#x0364;r aber fieng an zu sprechen, und sagte &#x2018;fu&#x0364;rchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren, und will mich nur ein wenig bei euch wa&#x0364;rmen.&#x2019; &#x2018;Ei, du armer Ba&#x0364;r,&#x2019; sprach die Mutter, &#x2018;leg dich ans Feuer, und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt.&#x2019; Dann rief sie &#x2018;Schneeweißchen, Rosenroth, kommt hervor, der Ba&#x0364;r thut euch nichts, er meints ehrlich.&#x2019; Da kamen sie beide heran, und nach und nach na&#x0364;herten sich auch das La&#x0364;mmchen und Ta&#x0364;ubchen, und hatten keine Furcht mehr. Der Ba&#x0364;r sprach &#x2018;ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk,&#x2019; und sie holten den Besen, und kehrten dem Ba&#x0364;r das Fell
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0338] und schieb den Riegel vor,’ und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille, und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Maͤdchen hoͤrten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Laͤmmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Taͤubchen, und hatte seinen Kopf unter den Fluͤgel gesteckt. Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Thuͤre, als wollte er eingelassen seyn. Die Mutter sprach ‘geschwind, Rosenroth, mach auf, es wird ein Wanderer seyn, der Obdach sucht.’ Rosenroth gieng, und schob den Riegel weg, aber statt daß ein Mensch gekommen waͤre, streckte ein Baͤr seinen dicken schwarzen Kopf zur Thuͤre herein. Rosenroth schrie laut, und sprang zuruͤck; das Laͤmmchen bloͤckte, das Taͤubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Baͤr aber fieng an zu sprechen, und sagte ‘fuͤrchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren, und will mich nur ein wenig bei euch waͤrmen.’ ‘Ei, du armer Baͤr,’ sprach die Mutter, ‘leg dich ans Feuer, und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt.’ Dann rief sie ‘Schneeweißchen, Rosenroth, kommt hervor, der Baͤr thut euch nichts, er meints ehrlich.’ Da kamen sie beide heran, und nach und nach naͤherten sich auch das Laͤmmchen und Taͤubchen, und hatten keine Furcht mehr. Der Baͤr sprach ‘ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk,’ und sie holten den Besen, und kehrten dem Baͤr das Fell

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/338
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/338>, abgerufen am 24.11.2024.