Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.166. Der starke Hans. Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur ein einziges Kind, und lebten in einem abseits gelegenen Thale ganz allein. Es trug sich zu, daß die Mutter einmal ins Holz gieng, Tannenreiser zu lesen, und den kleinen Hans, der erst zwei Jahr alt war, mitnahm. Da es gerade in der Frühlingszeit war, und das Kind seine Freude an den bunten Blumen hatte, so gieng sie immer weiter mit ihm in den Wald hinein. Plötzlich sprangen aus dem Gebüsch zwei Räuber hervor, packten die Mutter und das Kind, und führten sie tief in den schwarzen Wald, wo Jahr aus Jahr ein kein Mensch hinkam. Die arme Frau bat die Räuber inständig sie mit ihrem Kinde frei zu lassen, aber das Herz der Räuber war von Stein: sie hörten nicht auf ihr Bitten und Flehen, und trieben sie mit Gewalt an weiter zu gehen. Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Dörner sich hatten durcharbeiten müssen, kamen sie zu einem Felsen, wo eine Thüre war, an welche die Räuber klopften, und die sich alsbald öffnete. Sie mußten durch einen langen dunkelen Gang, und kamen endlich in eine große Höhle, die von einem Feuer, das auf dem Herd brannte, erleuchtet war. An der Wand hiengen Schwerter, Säbel und andere 166. Der starke Hans. Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur ein einziges Kind, und lebten in einem abseits gelegenen Thale ganz allein. Es trug sich zu, daß die Mutter einmal ins Holz gieng, Tannenreiser zu lesen, und den kleinen Hans, der erst zwei Jahr alt war, mitnahm. Da es gerade in der Fruͤhlingszeit war, und das Kind seine Freude an den bunten Blumen hatte, so gieng sie immer weiter mit ihm in den Wald hinein. Ploͤtzlich sprangen aus dem Gebuͤsch zwei Raͤuber hervor, packten die Mutter und das Kind, und fuͤhrten sie tief in den schwarzen Wald, wo Jahr aus Jahr ein kein Mensch hinkam. Die arme Frau bat die Raͤuber instaͤndig sie mit ihrem Kinde frei zu lassen, aber das Herz der Raͤuber war von Stein: sie hoͤrten nicht auf ihr Bitten und Flehen, und trieben sie mit Gewalt an weiter zu gehen. Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Doͤrner sich hatten durcharbeiten muͤssen, kamen sie zu einem Felsen, wo eine Thuͤre war, an welche die Raͤuber klopften, und die sich alsbald oͤffnete. Sie mußten durch einen langen dunkelen Gang, und kamen endlich in eine große Hoͤhle, die von einem Feuer, das auf dem Herd brannte, erleuchtet war. An der Wand hiengen Schwerter, Saͤbel und andere <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0369" n="353"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">166.<lb/> Der starke Hans.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur ein einziges Kind, und lebten in einem abseits gelegenen Thale ganz allein. Es trug sich zu, daß die Mutter einmal ins Holz gieng, Tannenreiser zu lesen, und den kleinen Hans, der erst zwei Jahr alt war, mitnahm. Da es gerade in der Fruͤhlingszeit war, und das Kind seine Freude an den bunten Blumen hatte, so gieng sie immer weiter mit ihm in den Wald hinein. Ploͤtzlich sprangen aus dem Gebuͤsch zwei Raͤuber hervor, packten die Mutter und das Kind, und fuͤhrten sie tief in den schwarzen Wald, wo Jahr aus Jahr ein kein Mensch hinkam. Die arme Frau bat die Raͤuber instaͤndig sie mit ihrem Kinde frei zu lassen, aber das Herz der Raͤuber war von Stein: sie hoͤrten nicht auf ihr Bitten und Flehen, und trieben sie mit Gewalt an weiter zu gehen. Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Doͤrner sich hatten durcharbeiten muͤssen, kamen sie zu einem Felsen, wo eine Thuͤre war, an welche die Raͤuber klopften, und die sich alsbald oͤffnete. Sie mußten durch einen langen dunkelen Gang, und kamen endlich in eine große Hoͤhle, die von einem Feuer, das auf dem Herd brannte, erleuchtet war. An der Wand hiengen Schwerter, Saͤbel und andere </p> </div> </body> </text> </TEI> [353/0369]
166.
Der starke Hans.
Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur ein einziges Kind, und lebten in einem abseits gelegenen Thale ganz allein. Es trug sich zu, daß die Mutter einmal ins Holz gieng, Tannenreiser zu lesen, und den kleinen Hans, der erst zwei Jahr alt war, mitnahm. Da es gerade in der Fruͤhlingszeit war, und das Kind seine Freude an den bunten Blumen hatte, so gieng sie immer weiter mit ihm in den Wald hinein. Ploͤtzlich sprangen aus dem Gebuͤsch zwei Raͤuber hervor, packten die Mutter und das Kind, und fuͤhrten sie tief in den schwarzen Wald, wo Jahr aus Jahr ein kein Mensch hinkam. Die arme Frau bat die Raͤuber instaͤndig sie mit ihrem Kinde frei zu lassen, aber das Herz der Raͤuber war von Stein: sie hoͤrten nicht auf ihr Bitten und Flehen, und trieben sie mit Gewalt an weiter zu gehen. Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Doͤrner sich hatten durcharbeiten muͤssen, kamen sie zu einem Felsen, wo eine Thuͤre war, an welche die Raͤuber klopften, und die sich alsbald oͤffnete. Sie mußten durch einen langen dunkelen Gang, und kamen endlich in eine große Hoͤhle, die von einem Feuer, das auf dem Herd brannte, erleuchtet war. An der Wand hiengen Schwerter, Saͤbel und andere
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |