Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.sie herab kommen, ich möchte sie so gerne wieder sehen.' Sie wollten auch nicht, bis endlich einer von ihnen hingieng, und es den Königskindern sagte, aber diese glaubten es nicht, und bekümmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter, und beschrieb ihr darin all sein Elend, aber er sagte nicht daß er ihr Sohn wäre. Da ließ ihm die Königin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen, und ihm täglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war bös, und sprach 'was soll dem Bettler das gute Essen!' behielts für sich oder gabs den Hunden, und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich, und brachte ihm was er für ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwächer ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu läuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen Hand eine Rose, in der andern eine Lilie, und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben. Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus. sie herab kommen, ich moͤchte sie so gerne wieder sehen.’ Sie wollten auch nicht, bis endlich einer von ihnen hingieng, und es den Koͤnigskindern sagte, aber diese glaubten es nicht, und bekuͤmmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter, und beschrieb ihr darin all sein Elend, aber er sagte nicht daß er ihr Sohn waͤre. Da ließ ihm die Koͤnigin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen, und ihm taͤglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war boͤs, und sprach ‘was soll dem Bettler das gute Essen!’ behielts fuͤr sich oder gabs den Hunden, und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich, und brachte ihm was er fuͤr ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwaͤcher ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu laͤuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen Hand eine Rose, in der andern eine Lilie, und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben. Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0391" n="375"/> sie herab kommen, ich moͤchte sie so gerne wieder sehen.’ Sie wollten auch nicht, bis endlich einer von ihnen hingieng, und es den Koͤnigskindern sagte, aber diese glaubten es nicht, und bekuͤmmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter, und beschrieb ihr darin all sein Elend, aber er sagte nicht daß er ihr Sohn waͤre. Da ließ ihm die Koͤnigin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen, und ihm taͤglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war boͤs, und sprach ‘was soll dem Bettler das gute Essen!’ behielts fuͤr sich oder gabs den Hunden, und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich, und brachte ihm was er fuͤr ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwaͤcher ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu laͤuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen Hand eine Rose, in der andern eine Lilie, und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben.</p><lb/> <p>Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [375/0391]
sie herab kommen, ich moͤchte sie so gerne wieder sehen.’ Sie wollten auch nicht, bis endlich einer von ihnen hingieng, und es den Koͤnigskindern sagte, aber diese glaubten es nicht, und bekuͤmmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter, und beschrieb ihr darin all sein Elend, aber er sagte nicht daß er ihr Sohn waͤre. Da ließ ihm die Koͤnigin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen, und ihm taͤglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war boͤs, und sprach ‘was soll dem Bettler das gute Essen!’ behielts fuͤr sich oder gabs den Hunden, und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich, und brachte ihm was er fuͤr ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwaͤcher ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu laͤuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen Hand eine Rose, in der andern eine Lilie, und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben.
Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |