Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

fiel ihm sein Vater ein, und sein Herz wurde bewegt, und er wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin wollte ihn aber nicht fortlassen, und sagte 'ich weiß schon daß es mein Unglück ist,' er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring, und sprach 'nimm diesen Ring, und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin, wo du dich hinwünschest, versetzt, nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wünschen.' Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger, und wünschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Jm Augenblick befand er sich auch dort, und wollte in die Stadt, wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da gieng er auf einen Berg, wo ein Schäfer hütete, tauschte mit diesem die Kleider, und zog den alten Schäferrock an, und gieng also ungestört in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr daß es sein Sohn wäre, und sagte er hätte zwar einen Sohn gehabt, der aber wäre längst todt, doch weil er sehe daß er ein armer dürftiger Schäfer wäre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schäfer zu seinen Eltern 'ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen könnt?' 'Ja,' sagte die Mutter, 'unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.' Er streifte das Hemd zurück, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm, und zweifelten nicht mehr daß es ihr

fiel ihm sein Vater ein, und sein Herz wurde bewegt, und er wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin wollte ihn aber nicht fortlassen, und sagte ‘ich weiß schon daß es mein Unglück ist,’ er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring, und sprach ‘nimm diesen Ring, und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin, wo du dich hinwünschest, versetzt, nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wünschen.’ Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger, und wünschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Jm Augenblick befand er sich auch dort, und wollte in die Stadt, wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da gieng er auf einen Berg, wo ein Schäfer hütete, tauschte mit diesem die Kleider, und zog den alten Schäferrock an, und gieng also ungestört in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr daß es sein Sohn wäre, und sagte er hätte zwar einen Sohn gehabt, der aber wäre längst todt, doch weil er sehe daß er ein armer dürftiger Schäfer wäre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schäfer zu seinen Eltern ‘ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen könnt?’ ‘Ja,’ sagte die Mutter, ‘unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.’ Er streifte das Hemd zurück, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm, und zweifelten nicht mehr daß es ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="45"/>
fiel ihm sein Vater ein, und sein Herz wurde bewegt, und er wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin wollte ihn aber nicht fortlassen, und sagte &#x2018;ich weiß schon daß es mein Unglück ist,&#x2019; er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring, und sprach &#x2018;nimm diesen Ring, und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin, wo du dich hinwünschest, versetzt, nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wünschen.&#x2019; Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger, und wünschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Jm Augenblick befand er sich auch dort, und wollte in die Stadt, wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da gieng er auf einen Berg, wo ein Schäfer hütete, tauschte mit diesem die Kleider, und zog den alten Schäferrock an, und gieng also ungestört in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr daß es sein Sohn wäre, und sagte er hätte zwar einen Sohn gehabt, der aber wäre längst todt, doch weil er sehe daß er ein armer dürftiger Schäfer wäre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schäfer zu seinen Eltern &#x2018;ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen könnt?&#x2019; &#x2018;Ja,&#x2019; sagte die Mutter, &#x2018;unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.&#x2019; Er streifte das Hemd zurück, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm, und zweifelten nicht mehr daß es ihr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0066] fiel ihm sein Vater ein, und sein Herz wurde bewegt, und er wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin wollte ihn aber nicht fortlassen, und sagte ‘ich weiß schon daß es mein Unglück ist,’ er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring, und sprach ‘nimm diesen Ring, und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin, wo du dich hinwünschest, versetzt, nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wünschen.’ Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger, und wünschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Jm Augenblick befand er sich auch dort, und wollte in die Stadt, wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da gieng er auf einen Berg, wo ein Schäfer hütete, tauschte mit diesem die Kleider, und zog den alten Schäferrock an, und gieng also ungestört in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr daß es sein Sohn wäre, und sagte er hätte zwar einen Sohn gehabt, der aber wäre längst todt, doch weil er sehe daß er ein armer dürftiger Schäfer wäre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schäfer zu seinen Eltern ‘ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen könnt?’ ‘Ja,’ sagte die Mutter, ‘unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.’ Er streifte das Hemd zurück, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm, und zweifelten nicht mehr daß es ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-27T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/66
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1840, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1840/66>, abgerufen am 04.12.2024.