Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

schönen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drinn, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen glatten Milchgesichter! pfui, was seid ihr garstig!' Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen, er steckte zu fest. 'Ich will laufen, und Leute herbei holen' sagte Rosenroth. 'Wahnsinnige Schafsköpfe,' schnarrte der Zwerg, 'wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seid mir schon um zwei zu viel; fällt euch nichts besseres ein?' 'Sei nur nicht ungeduldig,' sagte Schneeweißchen, 'ich will schon Rath schaffen,' und holte sein Scheerchen aus der Tasche, und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baums steckte, und mit Gold gefüllt war, hob ihn heraus, und brummte vor sich hin 'ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Barte ab! lohns euch der Guckguck!' damit schwang er seinen Sack auf den Rücken, und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen.

Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln. Als sie auf den Bach zu giengen, sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu hüpfte, als wollte es hinein springen. Sie liefen heran, und erkannten den Zwerg. 'Wo willst du hin?' sagte Rosenroth, 'du willst doch nicht ins Wasser?' 'Solch ein Narr bin ich nicht,' schrie der Zwerg, 'seht ihr nicht, der verwünschte Fisch will mich hinein ziehen?' Der Kleine hatte da gesessen und geangelt, und unglücklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten: als gleich darauf ein großer Fisch

schönen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drinn, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen glatten Milchgesichter! pfui, was seid ihr garstig!’ Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen, er steckte zu fest. ‘Ich will laufen, und Leute herbei holen’ sagte Rosenroth. ‘Wahnsinnige Schafsköpfe,’ schnarrte der Zwerg, ‘wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seid mir schon um zwei zu viel; fällt euch nichts besseres ein?’ ‘Sei nur nicht ungeduldig,’ sagte Schneeweißchen, ‘ich will schon Rath schaffen,’ und holte sein Scheerchen aus der Tasche, und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baums steckte, und mit Gold gefüllt war, hob ihn heraus, und brummte vor sich hin ‘ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Barte ab! lohns euch der Guckguck!’ damit schwang er seinen Sack auf den Rücken, und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen.

Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln. Als sie auf den Bach zu giengen, sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu hüpfte, als wollte es hinein springen. Sie liefen heran, und erkannten den Zwerg. ‘Wo willst du hin?’ sagte Rosenroth, ‘du willst doch nicht ins Wasser?’ ‘Solch ein Narr bin ich nicht,’ schrie der Zwerg, ‘seht ihr nicht, der verwünschte Fisch will mich hinein ziehen?’ Der Kleine hatte da gesessen und geangelt, und unglücklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten: als gleich darauf ein großer Fisch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0346" n="336"/>
schönen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drinn, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen glatten Milchgesichter! pfui, was seid ihr garstig!&#x2019; Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen, er steckte zu fest. &#x2018;Ich will laufen, und Leute herbei holen&#x2019; sagte Rosenroth. &#x2018;Wahnsinnige Schafsköpfe,&#x2019; schnarrte der Zwerg, &#x2018;wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seid mir schon um zwei zu viel; fällt euch nichts besseres ein?&#x2019; &#x2018;Sei nur nicht ungeduldig,&#x2019; sagte Schneeweißchen, &#x2018;ich will schon Rath schaffen,&#x2019; und holte sein Scheerchen aus der Tasche, und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baums steckte, und mit Gold gefüllt war, hob ihn heraus, und brummte vor sich hin &#x2018;ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Barte ab! lohns euch der Guckguck!&#x2019; damit schwang er seinen Sack auf den Rücken, und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen.</p><lb/>
        <p>Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln. Als sie auf den Bach zu giengen, sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu hüpfte, als wollte es hinein springen. Sie liefen heran, und erkannten den Zwerg. &#x2018;Wo willst du hin?&#x2019; sagte Rosenroth, &#x2018;du willst doch nicht ins Wasser?&#x2019; &#x2018;Solch ein Narr bin ich nicht,&#x2019; schrie der Zwerg, &#x2018;seht ihr nicht, der verwünschte Fisch will mich hinein ziehen?&#x2019; Der Kleine hatte da gesessen und geangelt, und unglücklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten: als gleich darauf ein großer Fisch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0346] schönen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drinn, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen glatten Milchgesichter! pfui, was seid ihr garstig!’ Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen, er steckte zu fest. ‘Ich will laufen, und Leute herbei holen’ sagte Rosenroth. ‘Wahnsinnige Schafsköpfe,’ schnarrte der Zwerg, ‘wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seid mir schon um zwei zu viel; fällt euch nichts besseres ein?’ ‘Sei nur nicht ungeduldig,’ sagte Schneeweißchen, ‘ich will schon Rath schaffen,’ und holte sein Scheerchen aus der Tasche, und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fühlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baums steckte, und mit Gold gefüllt war, hob ihn heraus, und brummte vor sich hin ‘ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Barte ab! lohns euch der Guckguck!’ damit schwang er seinen Sack auf den Rücken, und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen. Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln. Als sie auf den Bach zu giengen, sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu hüpfte, als wollte es hinein springen. Sie liefen heran, und erkannten den Zwerg. ‘Wo willst du hin?’ sagte Rosenroth, ‘du willst doch nicht ins Wasser?’ ‘Solch ein Narr bin ich nicht,’ schrie der Zwerg, ‘seht ihr nicht, der verwünschte Fisch will mich hinein ziehen?’ Der Kleine hatte da gesessen und geangelt, und unglücklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten: als gleich darauf ein großer Fisch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/346
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/346>, abgerufen am 22.12.2024.