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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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'Aber sagt mir nur was ist vor?' fragte das Mädchen weiter. 'Ich sage dir nochmals störe mich nicht in meiner Arbeit. Rede kein Wort weiter, geh in deine Kammer, nimm die Haut vom Gesicht, und zieh das seidene Kleid an, daß du trugst als du zu mir kamst, und dann harre in deiner Kammer bis ich dich rufe.'

Aber ich muß wieder von dem König und der Königin erzählen, die mit dem Grafen ausgezogen waren und die Alte in der Einöde aufsuchen wollten. Der Graf war Nachts in dem Walde von ihnen abgekommen und mußte allein weiter gehen. Am andern Tag kam es ihm vor als befände er sich auf dem rechten Weg. Er gieng immer fort, bis die Dunkelheit einbrach, da stieg er auf einen Baum, und wollte da übernachten, denn er war besorgt er möchte sich verirren. Als der Mond die Gegend erhellte, so erblickte er eine Gestalt, die den Berg herabwandelte. Sie hatte keine Ruthe in der Hand, aber er konnte doch sehen daß es die Gänsehirtin war, die er früher bei dem Haus der Alten gesehen hatte. 'Oho!' rief er 'da kommt sie, und habe ich erst die eine Hexe, so soll mir die andere auch nicht entgehen.' Wie erstaunte er aber, als sie zu dem Brunnen trat, die Haut ablegte und sich wusch, als die goldenen Haare über sie herabfielen und sie so schön war, wie er noch niemand auf der Welt gesehen hatte. Kaum daß er zu athmen wagte, aber er streckte den Hals zwischen dem Laub so weit vor, als er nur konnte, und schaute sie mit unverwandten Blicken an. Ob er sich zu weit über bog, oder was sonst Schuld war, plötzlich krachte der Ast, und in demselben Augenblick schlüpfte sie in die Haut, sprang

‘Aber sagt mir nur was ist vor?’ fragte das Mädchen weiter. ‘Ich sage dir nochmals störe mich nicht in meiner Arbeit. Rede kein Wort weiter, geh in deine Kammer, nimm die Haut vom Gesicht, und zieh das seidene Kleid an, daß du trugst als du zu mir kamst, und dann harre in deiner Kammer bis ich dich rufe.’

Aber ich muß wieder von dem König und der Königin erzählen, die mit dem Grafen ausgezogen waren und die Alte in der Einöde aufsuchen wollten. Der Graf war Nachts in dem Walde von ihnen abgekommen und mußte allein weiter gehen. Am andern Tag kam es ihm vor als befände er sich auf dem rechten Weg. Er gieng immer fort, bis die Dunkelheit einbrach, da stieg er auf einen Baum, und wollte da übernachten, denn er war besorgt er möchte sich verirren. Als der Mond die Gegend erhellte, so erblickte er eine Gestalt, die den Berg herabwandelte. Sie hatte keine Ruthe in der Hand, aber er konnte doch sehen daß es die Gänsehirtin war, die er früher bei dem Haus der Alten gesehen hatte. ‘Oho!’ rief er ‘da kommt sie, und habe ich erst die eine Hexe, so soll mir die andere auch nicht entgehen.’ Wie erstaunte er aber, als sie zu dem Brunnen trat, die Haut ablegte und sich wusch, als die goldenen Haare über sie herabfielen und sie so schön war, wie er noch niemand auf der Welt gesehen hatte. Kaum daß er zu athmen wagte, aber er streckte den Hals zwischen dem Laub so weit vor, als er nur konnte, und schaute sie mit unverwandten Blicken an. Ob er sich zu weit über bog, oder was sonst Schuld war, plötzlich krachte der Ast, und in demselben Augenblick schlüpfte sie in die Haut, sprang

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[418/0428] ‘Aber sagt mir nur was ist vor?’ fragte das Mädchen weiter. ‘Ich sage dir nochmals störe mich nicht in meiner Arbeit. Rede kein Wort weiter, geh in deine Kammer, nimm die Haut vom Gesicht, und zieh das seidene Kleid an, daß du trugst als du zu mir kamst, und dann harre in deiner Kammer bis ich dich rufe.’ Aber ich muß wieder von dem König und der Königin erzählen, die mit dem Grafen ausgezogen waren und die Alte in der Einöde aufsuchen wollten. Der Graf war Nachts in dem Walde von ihnen abgekommen und mußte allein weiter gehen. Am andern Tag kam es ihm vor als befände er sich auf dem rechten Weg. Er gieng immer fort, bis die Dunkelheit einbrach, da stieg er auf einen Baum, und wollte da übernachten, denn er war besorgt er möchte sich verirren. Als der Mond die Gegend erhellte, so erblickte er eine Gestalt, die den Berg herabwandelte. Sie hatte keine Ruthe in der Hand, aber er konnte doch sehen daß es die Gänsehirtin war, die er früher bei dem Haus der Alten gesehen hatte. ‘Oho!’ rief er ‘da kommt sie, und habe ich erst die eine Hexe, so soll mir die andere auch nicht entgehen.’ Wie erstaunte er aber, als sie zu dem Brunnen trat, die Haut ablegte und sich wusch, als die goldenen Haare über sie herabfielen und sie so schön war, wie er noch niemand auf der Welt gesehen hatte. Kaum daß er zu athmen wagte, aber er streckte den Hals zwischen dem Laub so weit vor, als er nur konnte, und schaute sie mit unverwandten Blicken an. Ob er sich zu weit über bog, oder was sonst Schuld war, plötzlich krachte der Ast, und in demselben Augenblick schlüpfte sie in die Haut, sprang

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/428>, abgerufen am 22.12.2024.