Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen, und mich erwarten. Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schläfst, so werde ich nicht erlöst.' Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte 'ach, ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erlösen, du nimmst doch etwas von der Frau.' Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anrühren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm, und sagte 'armer Mann, was seid ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.' 'Nein,' sagte der Mann, 'ich will nicht essen und nicht trinken.' Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sprach 'wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist kein mal.' Da ließ er sich überreden, und nahm einen Trunk. Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, auf einmal, ward er so müde, und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein wenig niederlegen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein, und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, und war schon in voller Trauer, und sprach 'ich weiß schon daß er schläft.' Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke, und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schüttelte ihn, und rief ihn an, aber er wollte

eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen, und mich erwarten. Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schläfst, so werde ich nicht erlöst.’ Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte ‘ach, ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erlösen, du nimmst doch etwas von der Frau.’ Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anrühren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm, und sagte ‘armer Mann, was seid ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.’ ‘Nein,’ sagte der Mann, ‘ich will nicht essen und nicht trinken.’ Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sprach ‘wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist kein mal.’ Da ließ er sich überreden, und nahm einen Trunk. Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, auf einmal, ward er so müde, und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein wenig niederlegen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein, und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, und war schon in voller Trauer, und sprach ‘ich weiß schon daß er schläft.’ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke, und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schüttelte ihn, und rief ihn an, aber er wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="48"/>
eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen, und mich erwarten. Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schläfst, so werde ich nicht erlöst.&#x2019; Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte &#x2018;ach, ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erlösen, du nimmst doch etwas von der Frau.&#x2019; Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anrühren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm, und sagte &#x2018;armer Mann, was seid ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; sagte der Mann, &#x2018;ich will nicht essen und nicht trinken.&#x2019; Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sprach &#x2018;wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist kein mal.&#x2019; Da ließ er sich überreden, und nahm einen Trunk. Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, auf einmal, ward er so müde, und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein wenig niederlegen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein, und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, und war schon in voller Trauer, und sprach &#x2018;ich weiß schon daß er schläft.&#x2019; Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke, und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schüttelte ihn, und rief ihn an, aber er wollte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0058] eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen, und mich erwarten. Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schläfst, so werde ich nicht erlöst.’ Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte ‘ach, ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erlösen, du nimmst doch etwas von der Frau.’ Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anrühren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm, und sagte ‘armer Mann, was seid ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.’ ‘Nein,’ sagte der Mann, ‘ich will nicht essen und nicht trinken.’ Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sprach ‘wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist kein mal.’ Da ließ er sich überreden, und nahm einen Trunk. Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, auf einmal, ward er so müde, und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein wenig niederlegen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein, und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, und war schon in voller Trauer, und sprach ‘ich weiß schon daß er schläft.’ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke, und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schüttelte ihn, und rief ihn an, aber er wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/58
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/58>, abgerufen am 22.12.2024.