Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Stimme antwortete 'da unten stecke ich bei der Eichwurzel. Laß mich heraus, laß mich heraus.' Der Schüler fieng an unter dem Baum aufzuräumen, und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe, und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. 'Laß mich heraus, laß mich heraus,' riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus, und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. 'Weißt du,' rief er mit einer fürchterlichen Stimme, 'was dein Lohn dafür ist, daß du mich heraus gelassen hast?' 'Nein,' antwortete der Schüler ohne Furcht, 'wie soll ich das wissen?' 'So will ich dirs sagen,' rief der Geist, 'den Hals muß ich dir dafür brechen.' 'Das hättest du mir früher sagen sollen,' antwortete der Schüler, 'so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.' 'Mehr Leute hin, mehr Leute her,' rief der Geist, 'deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.' 'Sachte,' antwortete der Schüler, 'so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast, und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und

Die Stimme antwortete ‘da unten stecke ich bei der Eichwurzel. Laß mich heraus, laß mich heraus.’ Der Schüler fieng an unter dem Baum aufzuräumen, und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe, und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. ‘Laß mich heraus, laß mich heraus,’ riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus, und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. ‘Weißt du,’ rief er mit einer fürchterlichen Stimme, ‘was dein Lohn dafür ist, daß du mich heraus gelassen hast?’ ‘Nein,’ antwortete der Schüler ohne Furcht, ‘wie soll ich das wissen?’ ‘So will ich dirs sagen,’ rief der Geist, ‘den Hals muß ich dir dafür brechen.’ ‘Das hättest du mir früher sagen sollen,’ antwortete der Schüler, ‘so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.’ ‘Mehr Leute hin, mehr Leute her,’ rief der Geist, ‘deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.’ ‘Sachte,’ antwortete der Schüler, ‘so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast, und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="84"/>
Die Stimme antwortete &#x2018;da unten stecke ich bei der Eichwurzel. Laß mich heraus, laß mich heraus.&#x2019; Der Schüler fieng an unter dem Baum aufzuräumen, und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe, und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. &#x2018;Laß mich heraus, laß mich heraus,&#x2019; riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus, und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. &#x2018;Weißt du,&#x2019; rief er mit einer fürchterlichen Stimme, &#x2018;was dein Lohn dafür ist, daß du mich heraus gelassen hast?&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete der Schüler ohne Furcht, &#x2018;wie soll ich das wissen?&#x2019; &#x2018;So will ich dirs sagen,&#x2019; rief der Geist, &#x2018;den Hals muß ich dir dafür brechen.&#x2019; &#x2018;Das hättest du mir früher sagen sollen,&#x2019; antwortete der Schüler, &#x2018;so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.&#x2019; &#x2018;Mehr Leute hin, mehr Leute her,&#x2019; rief der Geist, &#x2018;deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.&#x2019; &#x2018;Sachte,&#x2019; antwortete der Schüler, &#x2018;so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast, und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0094] Die Stimme antwortete ‘da unten stecke ich bei der Eichwurzel. Laß mich heraus, laß mich heraus.’ Der Schüler fieng an unter dem Baum aufzuräumen, und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe, und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. ‘Laß mich heraus, laß mich heraus,’ riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus, und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. ‘Weißt du,’ rief er mit einer fürchterlichen Stimme, ‘was dein Lohn dafür ist, daß du mich heraus gelassen hast?’ ‘Nein,’ antwortete der Schüler ohne Furcht, ‘wie soll ich das wissen?’ ‘So will ich dirs sagen,’ rief der Geist, ‘den Hals muß ich dir dafür brechen.’ ‘Das hättest du mir früher sagen sollen,’ antwortete der Schüler, ‘so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.’ ‘Mehr Leute hin, mehr Leute her,’ rief der Geist, ‘deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.’ ‘Sachte,’ antwortete der Schüler, ‘so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast, und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/94
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/94>, abgerufen am 22.12.2024.