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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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und sprach 'Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.' Der König ließ den Schneider rufen und sprach 'wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.' 'Der Lohn ist freilich groß,' dachte das Schneiderlein, 'da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.' Er gieng nach Haus, setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. 'Es geht nicht,' rief er endlich aus, 'ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.' Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. 'Jch sehe,' hub er an, 'du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?' Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. 'Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,' sagte der Storch, 'ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich ruhig. Heute über neun Tage begib dich in das königliche Schloß, da will ich kommen.' Das Schneiderlein gieng nach Haus, und war zu

und sprach ‘Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.’ Der König ließ den Schneider rufen und sprach ‘wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.’ ‘Der Lohn ist freilich groß,’ dachte das Schneiderlein, ‘da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.’ Er gieng nach Haus, setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. ‘Es geht nicht,’ rief er endlich aus, ‘ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.’ Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. ‘Jch sehe,’ hub er an, ‘du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?’ Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. ‘Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,’ sagte der Storch, ‘ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich ruhig. Heute über neun Tage begib dich in das königliche Schloß, da will ich kommen.’ Das Schneiderlein gieng nach Haus, und war zu

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[131/0143] und sprach ‘Herr König, der Schneider läßt nicht ab von seinem Übermuth. Jetzt hat er sich vermessen, wenn er wolle, so könne er dem Herrn König einen Sohn durch die Lüfte herbei tragen lassen.’ Der König ließ den Schneider rufen und sprach ‘wenn du mir binnen neun Tagen einen Sohn bringen läßt, so sollst du meine älteste Tochter zur Frau haben.’ ‘Der Lohn ist freilich groß,’ dachte das Schneiderlein, ‘da thäte man wohl ein übriges, aber die Kirschen hängen mir zu hoch: wenn ich danach steige, so bricht unter mir der Ast, und ich falle herab.’ Er gieng nach Haus, setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf seinen Arbeitstisch und bedachte sich was zu thun wäre. ‘Es geht nicht,’ rief er endlich aus, ‘ich will fort, hier kann ich doch nicht in Ruhe leben.’ Er schnürte sein Bündel und eilte zum Thore hinaus. Als er auf die Wiesen kam, erblickte er seinen alten Freund, den Storch, der da, wie ein Weltweiser, auf und abgieng, zuweilen still stand, einen Frosch in nähere Betrachtung nahm und ihn endlich verschluckte. Der Storch kam heran und begrüßte ihn. ‘Jch sehe,’ hub er an, ‘du hast deinen Ranzen auf dem Rücken, warum willst du die Stadt verlassen?’ Der Schneider erzählte ihm was der König von ihm verlangt hatte und er nicht erfüllen konnte, und jammerte über sein Misgeschick. ‘Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen,’ sagte der Storch, ‘ich will dir aus der Noth helfen. Schon lange bringe ich die Wickelkinder in die Stadt, da kann ich auch einmal einen kleinen Prinzen aus dem Brunnen holen. Geh heim und verhalte dich ruhig. Heute über neun Tage begib dich in das königliche Schloß, da will ich kommen.’ Das Schneiderlein gieng nach Haus, und war zu

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/143>, abgerufen am 21.11.2024.