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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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90.
Der junge Riese.

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht größer und wuchs in etlichen Jahren nicht ein Haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pflügen, da sagte der Kleine 'Vater, ich will mit hinaus.' 'Du willst mit hinaus?' sprach der Vater, 'bleib du hier, dort bist du zu nichts nutz: du könntest mir auch verloren gehen.' Da fieng der Däumling an zu weinen, und um Ruhe zu haben , steckte ihn der Vater in die Tasche und nahm ihn mit. Draußen auf dem Felde holte er ihn wieder heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. 'Siehst du dort den großen Butzemann?' sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, 'der kommt und holt dich.' Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen kaum ein paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Däumling heraus und nahm ihn, ohne ein Wort zu sprechen, mit sich fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schrecken keinen Laut hervor bringen und hielt sein Kind für verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder mit Augen sehen würde.

Der Riese aber trug es heim und ließ es an seiner Brust saugen,

90.
Der junge Riese.

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht größer und wuchs in etlichen Jahren nicht ein Haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pflügen, da sagte der Kleine ‘Vater, ich will mit hinaus.’ ‘Du willst mit hinaus?’ sprach der Vater, ‘bleib du hier, dort bist du zu nichts nutz: du könntest mir auch verloren gehen.’ Da fieng der Däumling an zu weinen, und um Ruhe zu haben , steckte ihn der Vater in die Tasche und nahm ihn mit. Draußen auf dem Felde holte er ihn wieder heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. ‘Siehst du dort den großen Butzemann?’ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, ‘der kommt und holt dich.’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen kaum ein paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Däumling heraus und nahm ihn, ohne ein Wort zu sprechen, mit sich fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schrecken keinen Laut hervor bringen und hielt sein Kind für verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder mit Augen sehen würde.

Der Riese aber trug es heim und ließ es an seiner Brust saugen,

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[23/0035] 90. Der junge Riese. Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht größer und wuchs in etlichen Jahren nicht ein Haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pflügen, da sagte der Kleine ‘Vater, ich will mit hinaus.’ ‘Du willst mit hinaus?’ sprach der Vater, ‘bleib du hier, dort bist du zu nichts nutz: du könntest mir auch verloren gehen.’ Da fieng der Däumling an zu weinen, und um Ruhe zu haben , steckte ihn der Vater in die Tasche und nahm ihn mit. Draußen auf dem Felde holte er ihn wieder heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. ‘Siehst du dort den großen Butzemann?’ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, ‘der kommt und holt dich.’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen kaum ein paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Däumling heraus und nahm ihn, ohne ein Wort zu sprechen, mit sich fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schrecken keinen Laut hervor bringen und hielt sein Kind für verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder mit Augen sehen würde. Der Riese aber trug es heim und ließ es an seiner Brust saugen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/35>, abgerufen am 21.11.2024.