Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Kammer.' Als sie beide allein waren, sprach er 'du hast auf dem Kirchgang die Jungfrau Maleen genannt, die meine verlobte Braut war: wenn ich dächte es wäre möglich, so müßte ich glauben sie stände vor mir: du gleichst ihr in allem.' Sie antwortete 'ich bin die Jungfrau Maleen, die um dich sieben Jahre in der Finsterniß gefangen gesessen, Hunger und Durst gelitten und so lange in Noth und Armuth gelebt hat: aber heute bescheint mich die Sonne wieder. Jch bin dir in der Kirche angetraut und bin deine rechtmäßige Gemahlin.' Da küßten sie einander und waren glücklich für ihr Lebtag. Der falschen Braut ward zur Vergeltung der Kopf abgeschlagen.

Der Thurn, in welchem die Jungfrau Maleen gesessen hatte, stand noch lange Zeit, und wenn die Kinder vorüber giengen, so sangen sie

'kling klang kloria,
wer sitt in dissen Thoria?
Dar sitt en Königsdochter in,
die kan ik nich to seen krygn.
De Muer de will nich bräken,
De Steen de will nich stechen.
Hänschen mit de bunte Jak,
kumm unn folg my achterna.'


Kammer.’ Als sie beide allein waren, sprach er ‘du hast auf dem Kirchgang die Jungfrau Maleen genannt, die meine verlobte Braut war: wenn ich dächte es wäre möglich, so müßte ich glauben sie stände vor mir: du gleichst ihr in allem.’ Sie antwortete ‘ich bin die Jungfrau Maleen, die um dich sieben Jahre in der Finsterniß gefangen gesessen, Hunger und Durst gelitten und so lange in Noth und Armuth gelebt hat: aber heute bescheint mich die Sonne wieder. Jch bin dir in der Kirche angetraut und bin deine rechtmäßige Gemahlin.’ Da küßten sie einander und waren glücklich für ihr Lebtag. Der falschen Braut ward zur Vergeltung der Kopf abgeschlagen.

Der Thurn, in welchem die Jungfrau Maleen gesessen hatte, stand noch lange Zeit, und wenn die Kinder vorüber giengen, so sangen sie

‘kling klang kloria,
wer sitt in dissen Thoria?
Dar sitt en Königsdochter in,
die kan ik nich to seen krygn.
De Muer de will nich bräken,
De Steen de will nich stechen.
Hänschen mit de bunte Jak,
kumm unn folg my achterna.’


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0546" n="534"/>
Kammer.&#x2019; Als sie beide allein waren, sprach er &#x2018;du hast auf dem Kirchgang die Jungfrau Maleen genannt, die meine verlobte Braut war: wenn ich dächte es wäre möglich, so müßte ich glauben sie stände vor mir: du gleichst ihr in allem.&#x2019; Sie antwortete &#x2018;ich bin die Jungfrau Maleen, die um dich sieben Jahre in der Finsterniß gefangen gesessen, Hunger und Durst gelitten und so lange in Noth und Armuth gelebt hat: aber heute bescheint mich die Sonne wieder. Jch bin dir in der Kirche angetraut und bin deine rechtmäßige Gemahlin.&#x2019; Da küßten sie einander und waren glücklich für ihr Lebtag. Der falschen Braut ward zur Vergeltung der <choice><sic>Kop</sic><corr>Kopf</corr></choice> abgeschlagen.</p><lb/>
        <p>Der Thurn, in welchem die Jungfrau Maleen gesessen hatte, stand noch lange Zeit, und wenn die Kinder vorüber giengen, so sangen sie</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;kling klang kloria,</l><lb/>
          <l>wer sitt in dissen Thoria?</l><lb/>
          <l>Dar sitt en Königsdochter in,</l><lb/>
          <l>die kan ik nich to seen krygn.</l><lb/>
          <l>De Muer de will nich bräken,</l><lb/>
          <l>De Steen de will nich stechen.</l><lb/>
          <l>Hänschen mit de bunte Jak,</l><lb/>
          <l>kumm unn folg my achterna.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[534/0546] Kammer.’ Als sie beide allein waren, sprach er ‘du hast auf dem Kirchgang die Jungfrau Maleen genannt, die meine verlobte Braut war: wenn ich dächte es wäre möglich, so müßte ich glauben sie stände vor mir: du gleichst ihr in allem.’ Sie antwortete ‘ich bin die Jungfrau Maleen, die um dich sieben Jahre in der Finsterniß gefangen gesessen, Hunger und Durst gelitten und so lange in Noth und Armuth gelebt hat: aber heute bescheint mich die Sonne wieder. Jch bin dir in der Kirche angetraut und bin deine rechtmäßige Gemahlin.’ Da küßten sie einander und waren glücklich für ihr Lebtag. Der falschen Braut ward zur Vergeltung der Kopf abgeschlagen. Der Thurn, in welchem die Jungfrau Maleen gesessen hatte, stand noch lange Zeit, und wenn die Kinder vorüber giengen, so sangen sie ‘kling klang kloria, wer sitt in dissen Thoria? Dar sitt en Königsdochter in, die kan ik nich to seen krygn. De Muer de will nich bräken, De Steen de will nich stechen. Hänschen mit de bunte Jak, kumm unn folg my achterna.’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/546
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/546>, abgerufen am 24.11.2024.