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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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haben, bis ich zahle. Zwei Kühe nehme ich mit und die dritte lasse ich Euch zurück, so habt Jhr ein gutes Pfand.' Der Frau leuchtete das ein, sie ließ den Mann mit seinen Kühen abziehen und dachte 'wie wird sich der Hans freuen, wenn er sieht daß ich es so klug gemacht habe.' Der Bauer kam den dritten Tag, wie er gesagt hatte, nach Haus und fragte gleich ob die Kühe verkauft wären. 'Freilich, lieber Hans,' antwortete die Frau, 'und wie du gesagt hast, für zweihundert Thaler. So viel sind sie kaum werth, aber der Mann nahm sie ohne Widerrede.' 'Wo ist das Geld?' fragte der Bauer. 'Das Geld das habe ich nicht,' antwortete die Frau, 'er hatte gerade seine Geldkatze vergessen, wirds aber bald bringen; er hat mir ein gutes Pfand zurück gelassen.' 'Was für ein Pfand?' fragte der Mann. 'Eine von den drei Kühen, die kriegt er nicht eher, als bis er die andern bezahlt hat. Jch habe es klug gemacht, ich habe die kleinste zurück behalten, die frißt am wenigsten.' Der Mann ward zornig, hob seinen Stock in die Höhe und wollte ihr damit den verheißenen Anstrich geben. Plötzlich ließ er ihn sinken und sagte 'du bist die dummste Gans, die auf Gottes Erdboden herum wackelt, aber du dauerst mich. Jch will auf die Landstraße gehen und drei Tage lang warten ob ich Jemand finde, der noch einfältiger ist als du bist. Glückt mirs, so sollst du frei sein, finde ich ihn aber nicht, so sollst du deinen wohl verdienten Lohn ohne Abzug erhalten.'

Er gieng hinaus auf die große Straße, setzte sich auf einen Stein und wartete auf die Dinge, die kommen sollten. Da sah er einen Leiterwagen heran fahren, und eine Frau stand mitten darauf, statt auf dem Gebund Stroh zu sitzen, das dabei lag, oder neben den Ochsen zu gehen und sie zu leiten. Der Mann dachte 'das ist wohl eine, wie du sie suchst,' sprang auf und lief vor dem Wagen hin und her, wie einer der nicht recht gescheidt ist. 'Was

haben, bis ich zahle. Zwei Kühe nehme ich mit und die dritte lasse ich Euch zurück, so habt Jhr ein gutes Pfand.’ Der Frau leuchtete das ein, sie ließ den Mann mit seinen Kühen abziehen und dachte ‘wie wird sich der Hans freuen, wenn er sieht daß ich es so klug gemacht habe.’ Der Bauer kam den dritten Tag, wie er gesagt hatte, nach Haus und fragte gleich ob die Kühe verkauft wären. ‘Freilich, lieber Hans,’ antwortete die Frau, ‘und wie du gesagt hast, für zweihundert Thaler. So viel sind sie kaum werth, aber der Mann nahm sie ohne Widerrede.’ ‘Wo ist das Geld?’ fragte der Bauer. ‘Das Geld das habe ich nicht,’ antwortete die Frau, ‘er hatte gerade seine Geldkatze vergessen, wirds aber bald bringen; er hat mir ein gutes Pfand zurück gelassen.’ ‘Was für ein Pfand?’ fragte der Mann. ‘Eine von den drei Kühen, die kriegt er nicht eher, als bis er die andern bezahlt hat. Jch habe es klug gemacht, ich habe die kleinste zurück behalten, die frißt am wenigsten.’ Der Mann ward zornig, hob seinen Stock in die Höhe und wollte ihr damit den verheißenen Anstrich geben. Plötzlich ließ er ihn sinken und sagte ‘du bist die dummste Gans, die auf Gottes Erdboden herum wackelt, aber du dauerst mich. Jch will auf die Landstraße gehen und drei Tage lang warten ob ich Jemand finde, der noch einfältiger ist als du bist. Glückt mirs, so sollst du frei sein, finde ich ihn aber nicht, so sollst du deinen wohl verdienten Lohn ohne Abzug erhalten.’

Er gieng hinaus auf die große Straße, setzte sich auf einen Stein und wartete auf die Dinge, die kommen sollten. Da sah er einen Leiterwagen heran fahren, und eine Frau stand mitten darauf, statt auf dem Gebund Stroh zu sitzen, das dabei lag, oder neben den Ochsen zu gehen und sie zu leiten. Der Mann dachte ‘das ist wohl eine, wie du sie suchst,’ sprang auf und lief vor dem Wagen hin und her, wie einer der nicht recht gescheidt ist. ‘Was

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/104>, abgerufen am 23.11.2024.