Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Reiche meinte er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück gereiche, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott 'reit heim, und drei Wünsche, die du thust, die sollen in Erfüllung gehen.'

Nun hatte der Reiche was er verlangte, ritt heimwärts und fieng an nachzusinnen was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fieng das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte 'sei ruhig, Liese,' aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldig 'so wollt ich, daß du den Hals zerbrächst!' Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitts ab, hiengs auf seinen Rücken, und mußte nun zu Fuß gehen. 'Du hast noch zwei Wünsche übrig' dachte er und tröstete sich damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahin gieng, und zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth: der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. 'Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,' sprach er zu sich selbst, 'so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus: ich wills aber so einrichten, daß mir gar nichts mehr übrig zu wünschen bleibt.' Dann seufzte er und sprach 'ja, wenn ich der bairische Bauer wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfen, der wünschte sich zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier als er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bier dazu.' Manchmal meinte er jetzt hätte er es gefunden, aber hernach schiens ihm doch zu wenig. Da

Reiche meinte er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück gereiche, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott ‘reit heim, und drei Wünsche, die du thust, die sollen in Erfüllung gehen.’

Nun hatte der Reiche was er verlangte, ritt heimwärts und fieng an nachzusinnen was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fieng das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte ‘sei ruhig, Liese,’ aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldig ‘so wollt ich, daß du den Hals zerbrächst!’ Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitts ab, hiengs auf seinen Rücken, und mußte nun zu Fuß gehen. ‘Du hast noch zwei Wünsche übrig’ dachte er und tröstete sich damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahin gieng, und zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth: der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. ‘Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,’ sprach er zu sich selbst, ‘so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus: ich wills aber so einrichten, daß mir gar nichts mehr übrig zu wünschen bleibt.’ Dann seufzte er und sprach ‘ja, wenn ich der bairische Bauer wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfen, der wünschte sich zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier als er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bier dazu.’ Manchmal meinte er jetzt hätte er es gefunden, aber hernach schiens ihm doch zu wenig. Da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="4"/>
Reiche meinte er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück gereiche, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott &#x2018;reit heim, und drei Wünsche, die du thust, die sollen in Erfüllung gehen.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Nun hatte der Reiche was er verlangte, ritt heimwärts und fieng an nachzusinnen was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fieng das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte &#x2018;sei ruhig, Liese,&#x2019; aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldig &#x2018;so wollt ich, daß du den Hals zerbrächst!&#x2019; Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitts ab, hiengs auf seinen Rücken, und mußte nun zu Fuß gehen. &#x2018;Du hast noch zwei Wünsche übrig&#x2019; dachte er und tröstete sich damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahin gieng, und zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth: der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. &#x2018;Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,&#x2019; sprach er zu sich selbst, &#x2018;so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus: ich wills aber so einrichten, daß mir gar nichts mehr übrig zu wünschen bleibt.&#x2019; Dann seufzte er und sprach &#x2018;ja, wenn ich der bairische Bauer wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfen, der wünschte sich zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier als er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bier dazu.&#x2019; Manchmal meinte er jetzt hätte er es gefunden, aber hernach schiens ihm doch zu wenig. Da
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0016] Reiche meinte er wollte sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Glück gereiche, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott ‘reit heim, und drei Wünsche, die du thust, die sollen in Erfüllung gehen.’ Nun hatte der Reiche was er verlangte, ritt heimwärts und fieng an nachzusinnen was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel fallen ließ, fieng das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte ‘sei ruhig, Liese,’ aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldig ‘so wollt ich, daß du den Hals zerbrächst!’ Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitts ab, hiengs auf seinen Rücken, und mußte nun zu Fuß gehen. ‘Du hast noch zwei Wünsche übrig’ dachte er und tröstete sich damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahin gieng, und zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth: der Sattel drückte ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wünschen sollte. ‘Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,’ sprach er zu sich selbst, ‘so fällt mir hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus: ich wills aber so einrichten, daß mir gar nichts mehr übrig zu wünschen bleibt.’ Dann seufzte er und sprach ‘ja, wenn ich der bairische Bauer wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfen, der wünschte sich zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier als er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bier dazu.’ Manchmal meinte er jetzt hätte er es gefunden, aber hernach schiens ihm doch zu wenig. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/16
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/16>, abgerufen am 21.11.2024.