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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.' Die Mutter wollte nicht und sprach 'soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?' 'Sei ohne Sorge,' antwortete er, 'das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen und werden ihm den Weg zeigen.' Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere

'schön Hühnchen,
schön Hähnchen,
und du schöne bunte Kuh,
was sagst du dazu?'

'duks' sagten sie. Da trat das Mädchen an den Ofen, wo die Thiere lagen, und liebkoste Hühnchen und Hähnchen, indem es mit der Hand über die glatten Federn hinstrich, und die bunte Kuh kraute es zwischen den Hörnern. Und als es auf Geheiß des Alten eine gute Suppe bereitet hatte und die Schüssel auf dem Tisch stand, so sprach es 'soll ich mich sättigen und die guten Thiere sollen nichts haben? Draußen ist die Hülle und Fülle, erst will ich für sie sorgen.' Da ging es, holte Gerste und streute sie dem Hühnchen und Hähnchen vor, und brachte der Kuh wohlriechendes Heu einen ganzen Arm voll. 'Laßts euch schmecken, ihr lieben Thiere,' sagte es, 'und wenn ihr durstig seid, sollt ihr auch einen frischen Trunk haben.' Dann trug es einen Eimer voll Wasser herein, und Hühnchen und Hähnchen sprangen auf

und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.’ Die Mutter wollte nicht und sprach ‘soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?’ ‘Sei ohne Sorge,’ antwortete er, ‘das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen und werden ihm den Weg zeigen.’ Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere

‘schön Hühnchen,
schön Hähnchen,
und du schöne bunte Kuh,
was sagst du dazu?’

‘duks’ sagten sie. Da trat das Mädchen an den Ofen, wo die Thiere lagen, und liebkoste Hühnchen und Hähnchen, indem es mit der Hand über die glatten Federn hinstrich, und die bunte Kuh kraute es zwischen den Hörnern. Und als es auf Geheiß des Alten eine gute Suppe bereitet hatte und die Schüssel auf dem Tisch stand, so sprach es ‘soll ich mich sättigen und die guten Thiere sollen nichts haben? Draußen ist die Hülle und Fülle, erst will ich für sie sorgen.’ Da ging es, holte Gerste und streute sie dem Hühnchen und Hähnchen vor, und brachte der Kuh wohlriechendes Heu einen ganzen Arm voll. ‘Laßts euch schmecken, ihr lieben Thiere,’ sagte es, ‘und wenn ihr durstig seid, sollt ihr auch einen frischen Trunk haben.’ Dann trug es einen Eimer voll Wasser herein, und Hühnchen und Hähnchen sprangen auf

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[337/0349] und nicht wie seine Schwestern, die wilden Hummeln, herum schwärmen.’ Die Mutter wollte nicht und sprach ‘soll ich mein liebstes Kind auch noch verlieren?’ ‘Sei ohne Sorge,’ antwortete er, ‘das Mädchen verirrt sich nicht, es ist zu klug und verständig; zum Überfluß will ich Erbsen mitnehmen, und ausstreuen, die sind noch größer als Linsen und werden ihm den Weg zeigen.’ Aber als das Mädchen mit dem Korb am Arm hinaus kam, so hatten die Waldtauben die Erbsen schon im Kropf, und es wußte nicht wohin es sich wenden sollte. Es war voll Sorgen und dachte beständig daran wie der arme Vater hungern und die gute Mutter jammern würde, wenn es ausbliebe. Endlich als es finster ward, erblickte es das Lichtchen und kam an das Waldhaus. Es bat ganz freundlich sie möchten es über Nacht beherbergen, und der Mann mit dem weißen Bart fragte wieder seine Thiere ‘schön Hühnchen, schön Hähnchen, und du schöne bunte Kuh, was sagst du dazu?’ ‘duks’ sagten sie. Da trat das Mädchen an den Ofen, wo die Thiere lagen, und liebkoste Hühnchen und Hähnchen, indem es mit der Hand über die glatten Federn hinstrich, und die bunte Kuh kraute es zwischen den Hörnern. Und als es auf Geheiß des Alten eine gute Suppe bereitet hatte und die Schüssel auf dem Tisch stand, so sprach es ‘soll ich mich sättigen und die guten Thiere sollen nichts haben? Draußen ist die Hülle und Fülle, erst will ich für sie sorgen.’ Da ging es, holte Gerste und streute sie dem Hühnchen und Hähnchen vor, und brachte der Kuh wohlriechendes Heu einen ganzen Arm voll. ‘Laßts euch schmecken, ihr lieben Thiere,’ sagte es, ‘und wenn ihr durstig seid, sollt ihr auch einen frischen Trunk haben.’ Dann trug es einen Eimer voll Wasser herein, und Hühnchen und Hähnchen sprangen auf

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/349>, abgerufen am 22.11.2024.