Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Äxten bewaffnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen: zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervor bringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach 'mit bloßen Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will.' Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getödtet hatte. Als er bald oben war, und die Eule sah daß er an sie wollte, auch von der Menge und dem Geschrei des Volks verwirrt war und nicht wußte wohinaus, so verdrehte sie die Augen, sträubte die Federn, sperrte die Flügel auf, gnappte mit dem Schnabel und ließ ihr schuhu, schuhu mit rauher Stimme hören. 'Stoß zu, stoß zu!' rief die Menge draußen dem tapfern Helden zu. 'Wer hier stände, wo ich stehe,' antwortete er, 'der würde nicht stoß zu rufen.' Er setzte zwar den Fuß noch eine kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Äxten bewaffnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen: zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervor bringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßen Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getödtet hatte. Als er bald oben war, und die Eule sah daß er an sie wollte, auch von der Menge und dem Geschrei des Volks verwirrt war und nicht wußte wohinaus, so verdrehte sie die Augen, sträubte die Federn, sperrte die Flügel auf, gnappte mit dem Schnabel und ließ ihr schuhu, schuhu mit rauher Stimme hören. ‘Stoß zu, stoß zu!’ rief die Menge draußen dem tapfern Helden zu. ‘Wer hier stände, wo ich stehe,’ antwortete er, ‘der würde nicht stoß zu rufen.’ Er setzte zwar den Fuß noch eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0361" n="349"/> kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Äxten bewaffnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen: zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervor bringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßen Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getödtet hatte. Als er bald oben war, und die Eule sah daß er an sie wollte, auch von der Menge und dem Geschrei des Volks verwirrt war und nicht wußte wohinaus, so verdrehte sie die Augen, sträubte die Federn, sperrte die Flügel auf, gnappte mit dem Schnabel und ließ ihr schuhu, schuhu mit rauher Stimme hören. ‘Stoß zu, stoß zu!’ rief die Menge draußen dem tapfern Helden zu. ‘Wer hier stände, wo ich stehe,’ antwortete er, ‘der würde nicht stoß zu rufen.’ Er setzte zwar den Fuß noch eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [349/0361]
kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen Heugabeln Sensen und Äxten bewaffnet herbei als wollten sie gegen den Feind ausziehen: zuletzt erschienen auch die Herrn des Raths mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der beherztesten hervor und gieng mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und todtenbleich wieder heraus gelaufen, und konnte kein Wort hervor bringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es ergieng ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegsthaten berühmt war, und sprach ‘mit bloßen Ansehen werdet ihr das Ungethüm nicht vertreiben, hier muß Ernst gebraucht werden, aber ich sehe daß ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will.’ Er ließ sich Harnisch Schwert und Spieß bringen, und rüstete sich. Alle rühmten seinen Muth, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuerthore wurden aufgethan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getödtet hatte. Als er bald oben war, und die Eule sah daß er an sie wollte, auch von der Menge und dem Geschrei des Volks verwirrt war und nicht wußte wohinaus, so verdrehte sie die Augen, sträubte die Federn, sperrte die Flügel auf, gnappte mit dem Schnabel und ließ ihr schuhu, schuhu mit rauher Stimme hören. ‘Stoß zu, stoß zu!’ rief die Menge draußen dem tapfern Helden zu. ‘Wer hier stände, wo ich stehe,’ antwortete er, ‘der würde nicht stoß zu rufen.’ Er setzte zwar den Fuß noch eine
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