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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Das Mädchen, da es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fieng an zu weben.

Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der Faden zu Ende war, hatte sie den Königssohn erreicht. 'Was sehe ich?' rief er, 'die Spindel will mir wohl den Weg zeigen?' drehte sein Pferd um und ritt an dem goldenen Faden zurück. Das Mädchen aber saß an seiner Arbeit und sang

'Schiffchen, Schiffchen, webe fein,
führ den Freier mir herein.'

Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und sprang zur Thüre hinaus. Vor der Thürschwelle aber fieng es an einen Teppich zu weben, schöner als man je einen gesehen hat. Auf beiden Seiten blühten Rosen und Lilien und in der Mitte auf goldenem Grund stiegen grüne Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen: Hirsche und Rehe streckten die Köpfe dazwischen: oben in den Zweigen saßen bunte Vögel; es fehlte nichts als daß sie gesungen hätten. Das Schiffchen sprang hin und her, und es war als wüchse alles von selber.

Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das Mädchen zum Nähen hingesetzt: es hielt die Nadel in der Hand und sang

'Nadel, Nadel, spitz und fein,
Mach das Haus dem Freier rein.'

Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht anders als wenn unsichtbare Geister arbeiteten, alsbald überzogen sich Tisch und Bänke mit grünem Tuch, die Stühle mit Sammet, und an den Fenstern hiengen seidene Vorhänge herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich gethan, so sah das Mädchen schon durch das Fenster die weißen Federn von dem Hut des Königssohns, den die Spindel an dem goldenen Faden herbei geholt hatte. Er stieg ab,

Das Mädchen, da es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fieng an zu weben.

Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der Faden zu Ende war, hatte sie den Königssohn erreicht. ‘Was sehe ich?’ rief er, ‘die Spindel will mir wohl den Weg zeigen?’ drehte sein Pferd um und ritt an dem goldenen Faden zurück. Das Mädchen aber saß an seiner Arbeit und sang

‘Schiffchen, Schiffchen, webe fein,
führ den Freier mir herein.’

Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und sprang zur Thüre hinaus. Vor der Thürschwelle aber fieng es an einen Teppich zu weben, schöner als man je einen gesehen hat. Auf beiden Seiten blühten Rosen und Lilien und in der Mitte auf goldenem Grund stiegen grüne Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen: Hirsche und Rehe streckten die Köpfe dazwischen: oben in den Zweigen saßen bunte Vögel; es fehlte nichts als daß sie gesungen hätten. Das Schiffchen sprang hin und her, und es war als wüchse alles von selber.

Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das Mädchen zum Nähen hingesetzt: es hielt die Nadel in der Hand und sang

‘Nadel, Nadel, spitz und fein,
Mach das Haus dem Freier rein.’

Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht anders als wenn unsichtbare Geister arbeiteten, alsbald überzogen sich Tisch und Bänke mit grünem Tuch, die Stühle mit Sammet, und an den Fenstern hiengen seidene Vorhänge herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich gethan, so sah das Mädchen schon durch das Fenster die weißen Federn von dem Hut des Königssohns, den die Spindel an dem goldenen Faden herbei geholt hatte. Er stieg ab,

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[409/0421] Das Mädchen, da es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fieng an zu weben. Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der Faden zu Ende war, hatte sie den Königssohn erreicht. ‘Was sehe ich?’ rief er, ‘die Spindel will mir wohl den Weg zeigen?’ drehte sein Pferd um und ritt an dem goldenen Faden zurück. Das Mädchen aber saß an seiner Arbeit und sang ‘Schiffchen, Schiffchen, webe fein, führ den Freier mir herein.’ Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und sprang zur Thüre hinaus. Vor der Thürschwelle aber fieng es an einen Teppich zu weben, schöner als man je einen gesehen hat. Auf beiden Seiten blühten Rosen und Lilien und in der Mitte auf goldenem Grund stiegen grüne Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen: Hirsche und Rehe streckten die Köpfe dazwischen: oben in den Zweigen saßen bunte Vögel; es fehlte nichts als daß sie gesungen hätten. Das Schiffchen sprang hin und her, und es war als wüchse alles von selber. Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das Mädchen zum Nähen hingesetzt: es hielt die Nadel in der Hand und sang ‘Nadel, Nadel, spitz und fein, Mach das Haus dem Freier rein.’ Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht anders als wenn unsichtbare Geister arbeiteten, alsbald überzogen sich Tisch und Bänke mit grünem Tuch, die Stühle mit Sammet, und an den Fenstern hiengen seidene Vorhänge herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich gethan, so sah das Mädchen schon durch das Fenster die weißen Federn von dem Hut des Königssohns, den die Spindel an dem goldenen Faden herbei geholt hatte. Er stieg ab,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/421>, abgerufen am 26.11.2024.