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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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Stall geholt habe. Schaut nur, wie schön eure Soldaten da liegen und schlafen, und wenn ihr in den Stall gehen wollt, so werdet ihr sehen, wie bequem sichs eure Wächter gemacht haben.' Der Graf mußte lachen, dann sprach er 'einmal ist dirs gelungen, aber das zweitemal wirds nicht so glücklich ablaufen. Und ich warne dich, wenn du mir als Dieb begegnest, so behandle ich dich auch wie einen Dieb.' Als die Gräfin Abends zu Bette gegangen war, schloß sie die Hand mit dem Trauring fest zu, und der Graf sagte 'alle Thüren sind verschlossen und verriegelt, ich bleibe wach und will den Dieb erwarten; steigt er aber zum Fenster ein, so schieße ich ihn nieder.' Der Meisterdieb aber gieng in der Dunkelheit hinaus zu dem Galgen, schnitt einen armen Sünder, der da hieng, von dem Strick ab und trug ihn auf dem Rücken nach dem Schloß. Dort stellte er eine Leiter an das Schlafgemach, setzte den Todten auf seine Schultern und fieng an hinauf zu steigen. Als er so hoch gekommen war, daß der Kopf des Todten in dem Fenster erschien, drückte der Graf, der in seinem Bett lauerte, eine Pistole auf ihn los: alsbald ließ der Meister den armen Sünder herab fallen, sprang selbst die Leiter herab, und versteckte sich in eine Ecke. Die Nacht war von dem Mond so weit erhellt, daß der Meister deutlich sehen konnte wie der Graf aus dem Fenster auf die Leiter stieg, herabkam und den Todten in den Garten trug. Dort fieng er an ein Loch zu graben, in das er ihn legen wollte. 'Jetzt,' dachte der Dieb, 'ist der günstige Augenblick gekommen,' schlich behende aus seinem Winkel und stieg die Leiter hinauf, geradezu ins Schlafgemach der Gräfin. 'Liebe Frau,' fieng er mit der Stimme des Grafen an, 'der Dieb ist todt, aber er ist doch mein Pathe und mehr ein Schelm als ein Bösewicht gewesen: ich will ihn der öffentlichen Schande nicht preis geben; auch mit den armen Eltern habe ich Mitleid. Jch will ihn, bevor der Tag anbricht, selbst im Garten begraben, damit die Sache nicht ruchtbar

Stall geholt habe. Schaut nur, wie schön eure Soldaten da liegen und schlafen, und wenn ihr in den Stall gehen wollt, so werdet ihr sehen, wie bequem sichs eure Wächter gemacht haben.’ Der Graf mußte lachen, dann sprach er ‘einmal ist dirs gelungen, aber das zweitemal wirds nicht so glücklich ablaufen. Und ich warne dich, wenn du mir als Dieb begegnest, so behandle ich dich auch wie einen Dieb.’ Als die Gräfin Abends zu Bette gegangen war, schloß sie die Hand mit dem Trauring fest zu, und der Graf sagte ‘alle Thüren sind verschlossen und verriegelt, ich bleibe wach und will den Dieb erwarten; steigt er aber zum Fenster ein, so schieße ich ihn nieder.’ Der Meisterdieb aber gieng in der Dunkelheit hinaus zu dem Galgen, schnitt einen armen Sünder, der da hieng, von dem Strick ab und trug ihn auf dem Rücken nach dem Schloß. Dort stellte er eine Leiter an das Schlafgemach, setzte den Todten auf seine Schultern und fieng an hinauf zu steigen. Als er so hoch gekommen war, daß der Kopf des Todten in dem Fenster erschien, drückte der Graf, der in seinem Bett lauerte, eine Pistole auf ihn los: alsbald ließ der Meister den armen Sünder herab fallen, sprang selbst die Leiter herab, und versteckte sich in eine Ecke. Die Nacht war von dem Mond so weit erhellt, daß der Meister deutlich sehen konnte wie der Graf aus dem Fenster auf die Leiter stieg, herabkam und den Todten in den Garten trug. Dort fieng er an ein Loch zu graben, in das er ihn legen wollte. ‘Jetzt,’ dachte der Dieb, ‘ist der günstige Augenblick gekommen,’ schlich behende aus seinem Winkel und stieg die Leiter hinauf, geradezu ins Schlafgemach der Gräfin. ‘Liebe Frau,’ fieng er mit der Stimme des Grafen an, ‘der Dieb ist todt, aber er ist doch mein Pathe und mehr ein Schelm als ein Bösewicht gewesen: ich will ihn der öffentlichen Schande nicht preis geben; auch mit den armen Eltern habe ich Mitleid. Jch will ihn, bevor der Tag anbricht, selbst im Garten begraben, damit die Sache nicht ruchtbar

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[423/0435] Stall geholt habe. Schaut nur, wie schön eure Soldaten da liegen und schlafen, und wenn ihr in den Stall gehen wollt, so werdet ihr sehen, wie bequem sichs eure Wächter gemacht haben.’ Der Graf mußte lachen, dann sprach er ‘einmal ist dirs gelungen, aber das zweitemal wirds nicht so glücklich ablaufen. Und ich warne dich, wenn du mir als Dieb begegnest, so behandle ich dich auch wie einen Dieb.’ Als die Gräfin Abends zu Bette gegangen war, schloß sie die Hand mit dem Trauring fest zu, und der Graf sagte ‘alle Thüren sind verschlossen und verriegelt, ich bleibe wach und will den Dieb erwarten; steigt er aber zum Fenster ein, so schieße ich ihn nieder.’ Der Meisterdieb aber gieng in der Dunkelheit hinaus zu dem Galgen, schnitt einen armen Sünder, der da hieng, von dem Strick ab und trug ihn auf dem Rücken nach dem Schloß. Dort stellte er eine Leiter an das Schlafgemach, setzte den Todten auf seine Schultern und fieng an hinauf zu steigen. Als er so hoch gekommen war, daß der Kopf des Todten in dem Fenster erschien, drückte der Graf, der in seinem Bett lauerte, eine Pistole auf ihn los: alsbald ließ der Meister den armen Sünder herab fallen, sprang selbst die Leiter herab, und versteckte sich in eine Ecke. Die Nacht war von dem Mond so weit erhellt, daß der Meister deutlich sehen konnte wie der Graf aus dem Fenster auf die Leiter stieg, herabkam und den Todten in den Garten trug. Dort fieng er an ein Loch zu graben, in das er ihn legen wollte. ‘Jetzt,’ dachte der Dieb, ‘ist der günstige Augenblick gekommen,’ schlich behende aus seinem Winkel und stieg die Leiter hinauf, geradezu ins Schlafgemach der Gräfin. ‘Liebe Frau,’ fieng er mit der Stimme des Grafen an, ‘der Dieb ist todt, aber er ist doch mein Pathe und mehr ein Schelm als ein Bösewicht gewesen: ich will ihn der öffentlichen Schande nicht preis geben; auch mit den armen Eltern habe ich Mitleid. Jch will ihn, bevor der Tag anbricht, selbst im Garten begraben, damit die Sache nicht ruchtbar

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/435>, abgerufen am 25.11.2024.